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„Der erste antisemitische Film“

Joseph Goebbels war begeistert. „Der erste wirklich antisemitische Film“, notierte der NS-Propagandaminister 1939 in sein Tagebuch, als er die ersten Drehbuchentwürfe für den von ihm in Auftrag gegebenen Film „Jud Süß“ gelesen hatte.

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Veit Harlans „Jud Süß“, der die historische Figur des württembergischen Juden und herzöglichen Finanzberaters Joseph Süß Oppenheimer (1692-1738) zum Anlass für einen Hetzfilm mit antisemitischen Klischees und Stereotypen über den „schmierigen Juden“ wie Habgier, Ausbeutung, Feigheit und Hinterlist nimmt, war seinerzeit mit 20 Millionen Zuschauern ein großer Publikumserfolg in Europa.

Er wurde auch bewusst in den von Deutschland besetzten Gebieten gezeigt, um die dortigen Massenmorde an der meist jüdischen Bevölkerung zu rechtfertigen. Nach dem Krieg wurde der Film von den Alliierten verboten. Später galt und gilt er als sogenannter „Vorbehaltsfilm“, der nur mit Zustimmung der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung und nur mit wissenschaftlicher Begleitung öffentlich aufgeführt werden darf, ein Vertrieb ist nicht gestattet.

Wiener Schauspieler als Star des Films

Der Star des Films war Ferdinand Marian. Der aus Wien stammende Schauspieler wurde damals als „südländischer Typ“ besonders gern als „exotischer Liebhaber“ besetzt. 1939 wurde Nazi-Propagandaminister Goebbels auf ihn aufmerksam, als er Marian am Deutschen Theater Berlin als Jago in Shakespeares „Othello“ sah und von dessen „Gänsehaut erzeugender Bösartigkeit“ begeistert war.

Der eigentlich politisch desinteressierte Ufa-Star und Frauenschwarm („La Habanera“ mit Zarah Leander, „Romanze in Moll“, „Münchhausen“) wurde durch diesen Propagandafilm der Nazis zu einer tragischen Figur des deutschen Films. Nach dem Krieg erhielt er Berufsverbot. 1946 kam er unter ungeklärten Umständen bei einem Autounfall ums Leben.

Begeisterung bei Zuschauern

Eigentlich hatte er sich wie zuvor schon viele andere prominente Kollegen wie Emil Jannings, Gustaf Gründgens, René Deltgen, Willi Forst und Paul Dahlke gesträubt, an „Jud Süß“ mitzuwirken. „Er will nicht recht heran, den Juden zu spielen“, notierte Goebbels in seinem Tagebuch. „Aber ich bringe ihn mit einigem Nachhelfen doch dazu.“ Warum solch ein „Nachhelfen“ bei den anderen prominenten Schauspielern offenbar nichts gefruchtet hat, ist nicht überliefert.

Unbestritten bleibt die geschickte Machart des Films, der ausdrücklich nicht als purer Propagandafilm (wie zum Beispiel „Der ewige Jude“ von Fritz Hippler von 1940), sondern als Unterhaltungsfilm wirken sollte. Was Regisseur Harlan auch erreichte. Die Zuschauer waren nach den Premieren in Venedig und Berlin 1940 nach übereinstimmenden Überlieferungen äußerst angetan von dem Film, der später als einer der geistigen Wegbereiter des Holocaust angesehen wurde.

Wilfried Mommert, dpa

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