„Basel III“ ein „großer Fehler“
Banken und Finanzinstitute weltweit müssen sich wohl auf deutlich strengere Eigenkapitalvorschriften einstellen. Die Verhandlungen zu „Basel III“ sind abgeschlossen. Am Wochenende sollen die Chefs von 27 Notenbanken in der Schweiz das neue Regelwerk absegnen. Im Vorfeld sorgte „Basel III“ aber für heftige Gegenwehr - vor allem Europas Banker fürchten Nachteile.
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Am Sonntag, fast genau zwei Jahre nach dem Zusammenbruch der US-Bank Lehman Brothers dürften in der Schweizer Stadt Basel die neuen Eigenkapitalregeln für Banken - nach dem Verhandlungsort auch „Basel III“ genannt - nach langem Ringen doch abgesegnet werden. Und sie dürften strenger ausfallen als von den Banken erwartet.
Kapitalquote mehr als verdoppelt
Laut einem am Dienstag bekanntgewordenen Grundlagenpapier sollen die Institute schon ab 2013 mehr als doppelt so viel Kapital als Rücklage bereithalten wie bisher. Galt bisher eine Kernkapitalquote von vier Prozent, soll sie nun auf sechs Prozent angehoben werden. Hinzu kommt ein Puffer von drei Prozent für Krisen und - falls die Aufseher das verlangen - noch ein antizyklischer Kapitalpolster von ebenfalls drei Prozent.
Basler Ausschuss
Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht wurde 1974 nach dem Zusammenbruch des deutschen Bankhauses Herstatt gegründet und ist in Basel angesiedelt. Dem Gremium gehören Zentralbanker aus 27 Ländern an. Österreich ist in dem Ausschuss nicht vertreten.
Das „harte Kernkapital“ (Core Tier-1), von dem bisher nur zwei Prozent der risikogewichteten Aktiva verlangt werden, soll laut einem Bericht der „Welt“ (Onlineausgabe) künftig sogar fünf Prozent ausmachen. Mit dem neuen Regelwerk sollen die Banken widerstandsfähiger gegen Krisen gemacht werden - eine Lehre aus der Finanzkrise, in der zahllose Institute von den Staaten gerettet werden mussten.
USA zeigen bisher wenig Engagement
Doch die Branche - vor allem in Deutschland und Österreich - warnt vor gefährlichen Nebenwirkungen. Besonders hinsichtlich des internationalen Wettbewerbs fürchten europäische Banken Benachteiligungen gegenüber US-Banken. „Wir gehen davon aus, dass es sich ähnlich entwickeln kann wie bei Basel II“, warnte Hans-Joachim Massenberg, Vizechef des Bundesverbands deutscher Banken (BdB) im deutschen „Handelsblatt“. Während in Europa bereits seit 2007 „Basel II“ in Kraft ist, zeigten die USA nur wenig Engagement. Eine Umsetzung der Vorgängerregelung zu „Basel III“ wäre eigentlich bis 2011 angedacht gewesen.
In den USA bemüht man sich um Beschwichtigung. Man setze sich „energisch“ für die „Basel III“-Verhandlungen und eine deutliche Erhöhung der Kapitalpuffer für amerikanische Finanzinstitute ein, erklärte Michael Barr, Direktor des US-Finanzministeriums.
„‚Basel III‘ ist ein großer Fehler“
Doch in Österreich gibt man sich skeptisch. „Weil die großen Banken in den USA und in Großbritannien viel mehr im Investmentbanking verdienten als im normalen Retail-Banking, haben sie kein Interesse, dass das ‚Basel-III‘-Regelwerk in Richtung des alten Sparkassengeschäfts verschoben wird“, glaubt auch Erste-Bank-Chef Andreas Treichl. Überhaupt hält Treichl die neuen Auflagen für einen „großen Fehler“, weil kein Unterschied gemacht werde zwischen riskanten Investmentbankgeschäften und dem „normalen Sparkassengeschäft“.
Die Banken müssten zurück zum normalen Kundengeschäft - Hereinnahme von Einlagen, Vergabe von Krediten. Das spiele es aber momentan nicht mit „Basel III“. Die Liquidität sei zwar auch für Treichl ein entscheidender Faktor, aber er erinnerte auch an Lehman. Die US-Bank hatte eine Kernkapitalquote von elf Prozent, man könne „also nicht sagen, dass es mangelndes Eigenkapital war, das diese Weltwirtschaftskrise ausgelöst hat“.
Banken fürchten Milliardenkosten
In Deutschland warnen die Banken zudem vor einer drohenden Kreditklemme, sollte „Basel III“ in Kraft treten. Laut einem Bericht der „Welt“ sehen die deutschen Sparkassen ein Drittel ihrer Kundenkredite in Gefahr. Die neuen Regeln bedeuten „eine Verknappung des Kreditangebots der Sparkassen um mehr als 200 Mrd. Euro“, heißt es dazu in einem Positionspapier des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV). Außerdem wären die Kreditinstitute nach Ansicht des Verbandes gezwungen, mehr kurzfristige und weniger langfristige Kredite zu vergeben.
Zudem würden die neuen Vorschriften laut einer am Montag vom BdB präsentierten Studie die zehn größten Banken Deutschlands 105 Mrd. Euro kosten. Für Österreichs Banken sieht Bank-Austria-Chefvolkswirt Stefan Bruckbauer gegenüber der Tageszeitung „Die Presse“ einen Kapitalbedarf von elf Mrd. Euro - im schlimmsten Fall 20 Mrd. Euro.
Keine Gefahr für den Aufschwung
Doch während Banker gegen „Basel III“ weiter Sturm laufen, beruhigen Analysten. „Eine Mehrheit der europäischen Banken liegt definitiv oberhalb der Kriterien. Einige wären offenbar darunter, aber für das System scheint das machbar“, sagte Antonio Ramirez, Analyst bei Keefe, Bruyette & Woods.
Und auch eine aktuelle Studie des Basler Ausschusses und des Finanzstabilitätsrats (FSB) sieht keine Gefahr von „Basel III“. „Die volkswirtschaftlichen Kosten der Einführung der neuen Standards sind beherrschbar, vor allem, wenn sie mit angemessenen Übergangsregeln verbunden sind“, betonte der Chef des FSB, EZB-Vizepräsident Mario Draghi.
Politiker und Bankenregulierer haben bereits versprochen, die Regeln behutsam einzuführen. Wenn die Regierungschefs auf dem G20-Gipfel im November die geplante Einführung beschließen, sollen lange Übergangsfristen wirksam werden. Kreisen zufolge müssten sich die Banken erst ab 2018 an alle Vorschriften halten.
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