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Empörung über Teheran wächst

Die ursprünglich wegen „Ehebruchs“ zum Tod durch Steinigung verurteilte Iranerin Sakineh Mohammadi Aschtiani hat eine weitere barbarische Strafe erhalten. Die Frau wurde zu 99 Peitschenhieben verurteilt. Ursache war, wie sich erst zu spät herausgestellt hatte, die Verwechslung eines Fotos in einer britischen Zeitung.

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Am Montag war noch nicht klar, ob das neue Urteil gegen die Frau bereits vollstreckt wurde oder nicht. Aschtianis 22-jähriger Sohn Sajjad Kaderzadeh sagte, ein zuvor aus dem Gefängnis im nordwestiranische Tabriz entlassener Häftling habe ihn über die Auspeitschung informiert. Aschtianis früherer Rechtsanwalt hatte keine Kenntnis in der Sache.

Ursache für die neue drakonische Strafe war, dass eine britische Zeitung in einem Bericht über die Iranerin ein Bild einer unverschleierten Frau veröffentlicht hatte. Bei der Frau handelte es sich aber gar nicht um Aschtiani.

Zeitung entschuldigt sich

„Die Veröffentlichung des Fotos hat einem Richter einen Anlass dafür geliefert, meine arme Mutter zu 99 Peitschenhieben zu verurteilen, weil sie sich unverhüllt gezeigt habe“, so Kaderzadeh. Die betreffende Zeitung, die britische „Times“, entschuldigte sich für das Foto, betonte aber, dass das iranische Gericht wiederum „einfach nur einen Vorwand“ für eine Strafe gesucht habe.

„Dieses Regime will Frau Aschtiani für eine internationale Solidaritätskampagne, die viel Unruhe verursacht hat, leiden lassen.“ Mehrere westliche Politiker protestierten bei der iranischen Regierung gegen die barbarische Behandlung der Frau.

„Ehebruch“ nach Tod des Mannes

Die heute 43-Jährige war nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Amnesty International (ai) wegen einer „unrechtmäßigen Beziehung“ zu zwei Männern nach dem Tod ihres Ehemanns von einem iranischen Tribunal zum Tode verurteilt worden. Iranischen Angaben zufolge wurde die Frau wegen „Ehebruchs“ und Verwicklung in ein Mordkomplott gegen ihren Ehemann verurteilt. Ursprünglich hätte die Frau zu Tode gesteinigt werden sollen.

Nach empörten internationalen Protesten setzte die iranische Führung die Urteilsvollstreckung im Juli vorerst aus. Die Frau hatte stets betont, ihr Geständnis sei unter Folter erpresst worden. Aschtiani könnte trotzdem wegen der Mordvorwürfe gegen sie gehängt werden.

Anwalt musste fliehen

Der frühere Anwalt der Frau, der mittlerweile aus dem Iran fliehen musste und sich in Frankreich aufhält, konnte sich die Medienberichte über die Auspeitschung nicht erklären. „Es gibt in unserem Gesetz keine Strafe dafür"(Anm. für das veröffentlichte Foto), sagte Mohammed Mostafaei, bei einer Pressekonferenz gemeinsam mit dem französischen Außenminister Bernard Kouchner.

"Gipfel der Barbarei“

Der bezeichnete das Steinigungsurteil als „den Gipfel der Barbarei“ und erklärte den Fall Aschtiani zu „seinem persönlichen“, bei dem er „bereit sei, alles zu tun“, um die Frau zu retten. „Wenn ich nach Teheran fahren muss, um sie zu retten, dann werde ich fahren“, so Kouchner.

Zwischen dem Iran und Frankreich hatte die Causa bereits zuletzt auch für diplomatische Differenzen gesorgt. Grund dafür war die öffentliche Unterstützung der Verurteilten durch die Ehefrau von Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy, Carla Bruni-Sarkozy. Die regimetreue iranische Tageszeitung „Kaihan“ verwies darauf, dass Bruni vor ihrer Ehe mit dem Präsidenten mehrere Affären gehabt habe. Sie sei „eine unmoralische Frau und verdiene es zu sterben“, schrieb die Zeitung unter dem Titel: „Französische Prostituierte beteiligen sich an Menschenrechtsaufruhr.“ Teheran sprach nach Protesten aus Paris von „ungeeigneten Worten“ und pfiff die Zeitung offensichtlich zurück.

„Meine Mutter wäre bereits tot“

Aschtianis Sohn sagte, er und seine 18-jährige Schwester Farideh hätten ihre Mutter seit Anfang August nicht mehr gesehen. Die beiden appellierten mehrfach an die internationale Gemeinschaft und „alle einflussreichen Gremien“, die Frau zu retten. „Ich bitte Sie, lassen Sie nicht nach“, sagte Kaderzadeh in einem Interview mit der französischen Tageszeitung „Liberation“ Ende vergangener Woche und bedankte sich gleichzeitig für die breite Unterstützung. „Wenn Sie nicht da gewesen wären, wäre meine Mutter bereits tot.“

Demonstranten in Rom am 2. September 2010

APA/EPA//Fabio Campana

„Retten wir ihr Leben“, „Iran = Diktatur“: Kundgebung für Aschtiani in Rom.

Zuletzt protestierte auch der Vatikan gegen das Steinigungsurteil. In der ersten offiziellen Stellungnahme zu dem Fall aus Rom hieß es am Sonntag, der Heilige Stuhl beobachte den Fall sehr genau. Rom lehne die Todesstrafe allgemein und die „brutale Form“ der Steinigung im Besonderen ab. Der Sprecher des Vatikans, Federico Lombardi, deutete an, Rom könnte mit diplomatischen Mitteln versuchen, die Vollstreckung des Urteils zu verhindern.

„Offen Position beziehen“

Für Aschtiani machten sich auch vier italienische Ministerinnen stark. „Wir sind alle mit Sakineh, die iranischen Fundamentalisten machen uns keine Angst“, betonten sie. Sie fürchte sich nicht davor, „offen Position gegen die Regierung im Iran zu beziehen und meine Empörung auszudrücken. Was in der radikalen muslimischen Szene geschieht, ist inakzeptabel und absurd. Schluss mit gedemütigten Frauen, deren Rechte missachtet werden“, betonte Unterrichtsministerin Maria Stella Gelmini.

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