Antrag auf Befangenheit
Am Montag hat vor dem Landgericht Mannheim der Prozess gegen Jörg Kachelmann begonnen. Dem ARD-Wettermoderator wird vorgeworfen, im Februar seine Freundin vergewaltigt und mit einem Messer verletzt zu haben. Auf Antrag der Verteidiger wurde der Prozess unmittelbar nach dem Auftakt vertagt.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Kachelmann hat die Vorwürfe stets bestritten. Zuletzt wurden Zweifel an den Aussagen seiner damaligen Freundin laut. Doch neue Zeugenaussagen könnten den Moderator erneut belasten. Im März klickten für den Schweizer nach seiner Rückkehr von den Olympischen Winterspielen in Vancouver die Handschellen.
Seine damalige Freundin hatte dem Fernsehmoderator vorgeworfen, sie in ihrer Wohnung an den Haaren ins Bett gezerrt, sie vergewaltigt und ihr dabei ein Küchenmesser an den Hals gehalten zu haben. Der Grund: Sie habe Kachelmann damit konfrontiert, dass er ein Verhältnis mit einer anderen Frau gehabt habe, und die Beziehung zu ihm beendet.

APA/EPA/Soeren Stache
Kachelmann gründete 1990 den Wetterdienst Meteomedia und baute eigene Messstationen. 2002 übernahm Kachelmann in der ARD die Sendung „Das Wetter im Ersten“. Bis Februar 2009 moderierte er die MDR-Sendung „River-Boat“.
„Nicht völlig unbefangen“
Unmittelbar nach Prozessbeginn wurde die Verhandlung vertagt, sie soll am 13. September fortgesetzt werden. Die Anwälte Kachelmanns hatten in der Früh in einem 67-seitigen Gesuch beantragt, zwei Richter der Kammer wegen Befangenheit abzuziehen. Eine Begründung des Antrags wurde zunächst nicht genannt. Kachelmanns Verteidiger Reinhard Birkenstock sagte zum Inhalt seines Ablehnungsgesuchs nur, dass die beiden Richter „Herrn Kachelmann gegenüber nicht völlig unbefangen“ seien.
Medienberichten zufolge ist der Vorsitzende Richter Seidling Vizepräsident des Sportvereins TSV Oftersheim, der Vater des mutmaßlichen Opfers leitete jahrelang den benachbarten Sportverein TV Schwetzingen. Obwohl beide Vereine kooperieren, hatte Seidling Medienberichten zufolge gesagt, er kenne weder den Vater noch das mutmaßliche Opfer.
Der Befangenheitsantrag gegen gleich zwei Richter war nicht die einzige Überraschung des kurzen Verhandlungstags: Anders als erwartet, erschien das mutmaßliche Opfer in Begleitung ihres Anwalts vor Gericht. Die 37 Jahre alte Radiomoderatorin tritt als Nebenklägerin in dem Prozess auf. Ihr Verteidiger Thomas Franz bat vor Prozessbeginn darum, die Persönlichkeitsrechte seiner Mandantin nicht zu verletzen und keine Fotos oder Videos von ihr zu veröffentlichen.
„Aussage gegen Aussage“
Monate verbrachte Kachelmann in Untersuchungshaft, bis er mit der Feststellung, dass „Aussage gegen Aussage“ stehe, vom Oberlandesgericht Karlsruhe Ende Juli aus der Untersuchungshaft entlassen wurde. Damit wurde das Urteil des Landgerichts Mannheim vorgeführt, wo die Richter den 52-Jährigen rund vier Monate lang in Untersuchungshaft behalten hatten, weil sie Angaben des mutmaßlichen Opfers für glaubhaft hielten.
Allerdings machte die 37-Jährige gegenüber Kachelmann und später auch der Polizei falsche Angaben, wie das Oberlandesgericht feststellte, ohne Einzelheiten zu nennen. Medienberichten zufolge soll sie den „Beweisbrief“, dass ihr Partner sie betrügt, an sich selbst geschickt haben. Auch soll sie den Beamten verheimlicht haben, dass sie den Namen der Frau bereits Monate zuvor im Internet recherchiert hatte.
Diese Unwahrheiten und die gegensätzlichen Gutachterbefunde brachten die Karlsruher Richter schließlich zu dem Ergebnis, das mutmaßliche Opfer könnte Kachelmann möglicherweise auch falsch belasten und ihn „bestrafen“ wollen, weil sich ihr Lebensplan mit dem Geliebten als Lebenslüge entpuppt habe. Um die Glaubwürdigkeit der Frau dürfte deshalb vor dem Landgericht nun ein regelrechter Gutachterstreit entbrennen.
Gutachterstreit erwartet
Für die 37-Jährige und gegen Kachelmann spricht zunächst das Gutachten des Heidelberger Traumatologen Günter Seidler im Auftrag der Staatsanwaltschaft. Er kam nach langen Gesprächen mit der Frau zu dem Schluss, es gebe keine Anhaltspunkte, dass die „behauptete Vergewaltigung nicht stattgefunden hat“. Dass sie sich an die angebliche Tat nur lückenhaft erinnern könne, begründet Seidler mit der Todesangst, die sie erlebt habe.
Demgegenüber steht die Expertise der Bremer Aussagepsychologin Luise Greuel. Sie stellt fest, dass die Aussagen der Frau nicht einmal die „Mindestanforderungen“ an logischer Geschlossenheit, Detailreichtum und Beständigkeit erfüllten. Ob es die Vergewaltigung gegeben habe, sei „nicht klar“.
Aber auch die medizinischen Gutachter sind sich uneins. Drei von ihnen schließen nicht aus, dass sich die Anzeigenerstatterin die bei ihr festgestellten Kratzer und Blutergüsse selbst beigebracht habe. Der Heidelberger Rechtsmediziner Rainer Mattern, der die Frau zuerst untersuchte, hält das wiederum für nicht überzeugend.
15 Jahre Haft drohen
Und auch die Zeugenliste ist lang. 25 Personen sollen befragt werden, neun davon sind Frauen, die mit Kachelmann Kontakt hatten und Auskunft über seine angebliche Gewaltbereitschaft geben sollen. Die Identität der Zeugen hält das Gericht geheim. Doch seit Wochen kursieren im Boulevard Gerüchte über weitere Opfer des Moderators. Laut „Bild“-Zeitung soll sich eine weitere Zeugin gemeldet haben, die ebenfalls von ihm bedrängt worden sein soll. Ob es sich dabei um dieselbe Frau handelt, die in einer E-Mail an das Amtsgericht Mannheim behauptete, 2001 von Kachelmann geschlagen worden zu sein, ist nicht bekannt. In diesem Fall wurde Ende Juli ein Ermittlungsverfahren eröffnet.
Das Gericht hat vorsorglich 13 Prozesstage anberaumt. Kachelmanns Ex-Geliebte, die den Fall ins Rollen gebracht hatte und als Nebenklägerin auftritt, soll erst am neunten Verhandlungstag (13. Oktober) aussagen. Der letzte planmäßige Termin ist für den 27. Oktober vorgesehen. Dann könnte ein Urteil gegen Kachelmann verkündet werden. Bei einer Verurteilung drohen Kachelmann bis zu 15 Jahre Haft.
Links: