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Elitäre Täter, ausgelieferte Opfer

Der Missbrauchsskandal in der Waiseneinrichtung „Casa Pia“ ist die widerwärtigste Affäre, die das Land je erlebt hat. Er stürzte Portugal in eine tiefe Krise, denn es stellte sich heraus, dass die mutmaßlichen Täter den höchsten Kreisen der Gesellschaft angehörten. Die Opfer dagegen waren Kinder, die keine Angehörigen hatten und daher besonders schutzlos waren.

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Empörung gab es in Portugal aber auch wegen des notorisch langsamen Justizsystems. Fast sechs Jahre lang mussten die Opfer darauf warten, dass ihre Peiniger verurteilt wurden. Und laut Medien des Landes dürfte die Justizschlacht weitergehen. Jene sechs Angeklagten, die sich unschuldig bekannten, würden wohl Einspruch erheben und auf Zeit spielen, um der Haftstrafe zu entkommen.

Staat zu Schadenersatz verurteilt

Nach Ansicht vieler Beobachter legte der Prozess die Schwächen des portugiesischen Rechtssystems offen. Bereits im März 2006 verurteilte ein Spezialschiedsgericht den portugiesischen Staat wegen Vernachlässigung seiner Aufsichtspflicht zur Entschädigungszahlung von zwei Millionen Euro an 44 frühere Heimbewohner. In weiteren Missbrauchsverfahren wurden zudem mehr als ein Dutzend Menschen verurteilt, in erster Linie Lehrer und Erzieher der „Casa Pia“.

Wilde Spekulationen

Im Laufe des jahrelangen Verfahrens gab es zahlreiche Ermittlungspannen, die zu wilden Spekulationen Anlass gaben. In einem anonymen Schreiben wurde sogar Staatspräsident Jorge Sampaio des Kindesmissbrauchs beschuldigt. Alle Politiker, die mit der Affäre in Verbindung gebracht wurden, gehörten der Sozialistischen Partei (PS) an. Politische Beobachter argwöhnten daher, dass jemand die Geschichte um die „Casa Pia“ zu einem Komplott nutzen und die Parteiführung der Sozialisten in der Öffentlichkeit als einen „Club von Pädophilen“ in Misskredit bringen möchte.

Der Vorsitzende der Richtergewerkschaft, Alexandre Baptista Coelho, beklagte ein Jahr nach Auffliegen des Skandals, das Verfahren werde „immer mehr zu einer Hexenjagd“.

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