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Bunte Bilder von Schicksalsschlägen

Wird die Frida-Kahlo-Schau auch in Wien alle Rekorde brechen? Das war bei der Presseführung im Wiener Bank Austria Kunstforum die große Frage, nicht jene nach der Kunst der mexikanischen Schmerzensmalerin und kommunistischen Skandalnudel. Die meistbesuchte Ausstellung Deutschlands - das ist eine Vorlage.

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Kuratorin und Kunstforum-Direktorin Ingried Brugger meinte, dass Wien erstens kleiner sei als Berlin und es hier außerdem mehr Konkurrenz durch andere Ausstellungen gebe: „Ich weiß nicht, ob es hier sieben Stunden Wartezeit geben wird, das traue ich den Wienern einfach nicht zu. Aber es wird sicher ein großer Erfolg.“ An der Zusammenstellung der Bilder und Fotos jedenfalls scheitert es nicht. Dreieinhalb Jahre an Arbeit investierten die Kuratoren in Zusammenarbeit mit dem Berliner Martin-Gropius-Bau in die Vorbereitung. Sie scheuten weder Mühen noch Kosten.

Gemälde von Frida Kahlo

20th Century Mexican Art, The Vergel Foundation

„Selbstbildnis mit Halskette“, 1933

Zwei der wichtigsten Sammlungen der Malerei Kahlos (1907 bis 1954) sind vollständig vertreten. Von ersten Jugendkritzeleien bis hin zu ihren letzten Bildern vor dem Tod, vom Babyfoto bis hin zu den legendären Fotoshootings der letzten Jahre werden das Leben und das Werk Kahlos hier akribisch dokumentiert. Die Texte sind spannend geschrieben (das ist bei Kahlos Leben keine Kunst), aber auch für jene interessant, die sich bereits mit der Biografie der Mexikanerin beschäftigt haben. Mehr Kahlo geht nicht.

Herz-Schmerz-Symbolik

Aber: Geht Kahlo heute überhaupt noch? Plumpe Symbolik, pathetische Nabelschau mit maximalem Herz-Schmerz-Faktor, vermischt mit Ethnomotiven und Esoterik? Zumindest kann man Kahlo nicht vorwerfen, einem Trend gefolgt zu sein - sie gehörte der Avantgarde ihrer Zeit an, orientierte sich an Kunstströmungen wie dem Surrealismus und der Neuen Sachlichkeit, bezog sich auf die frühe Kunst der Azteken und Mayas genauso wie auf die europäische Kunstgeschichte. Ihr Thema war fast ausschließlich das eigene Leben - und das war von frühester Kindheit an vom Schmerz bestimmt, psychischem wie physischem.

Schon als Kind litt die kleine Frida an Polio und galt deshalb als behindert. 1925 nahm ihr Leben eine weitere dramatische Wendung, als ein Schulbus, in dem die 18-jährige Kahlo saß, mit einer Straßenbahn zusammenstieß. Ein dreifach gebrochenes Rückgrat, schwere Becken- und Beinverletzungen waren die Folge. Sie sollte sich von den Verletzungen nie ganz erholen. Noch kurz vor ihrem Tod 1954 musste ihr ein Bein bis zum Knie amputiert werden. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie bereits zehn Jahre lang ein Stahlkorsett getragen.

Bild gegen Zahnprothese

Bereits kurz nach ihrem Unfall hatte sie diesen in ersten Skizzen verarbeitet, eine davon ist in der Ausstellung zu sehen: ein Bus, herumliegende Menschen, Kahlo selbst auf einer Trage - vom Stil her eine typische Jugendzeichnung, wie sie zuhauf während langweiliger Schulstunden unter dem Pult entstehen. Erst im Laufe der Jahre entwickelte Kahlo ihren unverwechselbaren, bunten Stil bei Selbstporträts, der stets im Kontrast zu den schweren Motiven stand - ikonenhafte Bilder einer leidenden, aber starken Frau, umgeben von Symbolen quer durch die Kulturgeschichte und durch die Kontinente: ein Sammelsurium aus Ying-Yang-Zeichen, mexikanischen Skelettmotiven und medizinischen Abbildungen.

Gemälde von Frida Kahlo

Museo Dolores Olmedo Patiño, Xochimilco

„Die zerbrochene Säule“, 1944

Oft machen die Gemälde und Zeichnungen den Eindruck, als seien sie im Rahmen einer Kunsttherapie entstanden. Kahlo war sich dessen bewusst, die Introspektion war Programm. 1948 schrieb sie an ihren Zahnarzt, dem sie als Bezahlung für eine Prothese ein weinendes Selbstporträt geschenkt hatte: „Vielleicht gefällt es ihnen überhaupt nicht, und sie haben jedes Recht, mir das offen zu sagen. Mir allerdings gefällt es, weil es genau meine Stimmung ausdrückt, und das ist es, was jeden wahrhaftigen Maler interessiert.“ Eines ihrer berühmtesten Gemälde zeigt Kahlo mit offenem Korpus, das Rückgrat als eine mehrfach gebrochene Säule, Nägel durchdringen ihre Haut.

Legendäres Charisma

Nach mehreren Frühgeburten - eine davon spät und deshalb umso dramatischer - fanden sich entsprechende Motive in ihren Bildern. „Henry Ford Hospital“ (1932) zeigt Kahlo auf einem Krankenhausbett liegend. Von ihrem Bauch führen rote Striche zu schwebenden Symbolen: einem Baby, einem Uterus, einem Beckenknochen und medizinischem Gerät. In Kontrast zu all den körperlichen Gebrechen, ständigen Schmerzen und Behinderungen des Bewegungsapparats stand Kahlos Persönlichkeit, ihr Charisma, das bis heute als legendär gilt. Sie verkehrte bereits in jungen Jahren in internationalen Künstlerkreisen.

Berechtigte Eifersucht

Mit 22 heiratete sie den 43-jährigen, damals bereits berühmten Maler und Kommunisten Diego Rivera. Zu Lebzeiten stand sie als Künstlerin in seinem Schatten - anders als heute. Doch das Problem der Ehe war vor allem die ambivalente Beziehung der beiden zueinander. In ihren Tagebüchern und Briefen, vor allem aber in den Bildern legt Kahlo Zeugnis ab von ihrer quälenden und stets berechtigten Eifersucht. Rivera betrog sie zunächst mit ihrer eigenen Schwester. Das „Selbstbildnis auf der Grenze zwischen Mexiko und den USA“ (1932) zeigt Kahlo, mit Messerstichen übersät, neben ihr Rivera. Den Rahmen des Bildes hat sie mit einem echten Messer traktiert - man sieht die Einstiche noch - und mit roten Flecken versehen.

Gemälde von Frida Kahlo

Museo Dolores Olmedo Patiño, Xochimilco, Mexiko-Stadt

„Ein paar kleine Dolchstiche“, 1935

Nach einer Scheidung heirateten die beiden bald wieder. Die letzten Jahre vor Kahlos Tod (sie starb unter nicht ganz geklärten Umständen an einem Lungenödem) war Rivera nach zahlreichen anderen Affären mit einer berühmten Schauspielerin zusammen, Kahlo verweigerte ihm die Scheidung. 1953 malte sie sich mit dem Bildnis ihrer Nebenbuhlerin (mit der sie sich mittlerweile angefreundet hatte) auf der Stirn, während ein durchgestrichener Rivera ihre Brust ziert. Dutzende Bilder belegen die Eifersucht und die Hassliebe zu Rivera.

Kahlo hatte bald selbst Affären, unter anderem mit dem Surrealisten Andre Breton und mit dem russischen Revolutionär Leo Trotzki, den Rivera und sie Ende der 30er Jahre bei sich versteckten (später gaben sich die beiden Stalin-treu und überwarfen sich mit Trotzki). Auch mit Frauen hatte Kahlo Verhältnisse. Die Faszination an ihr ist immer auch eine Faszination für ihre Biografie. Nicht zuletzt deshalb wurde die kitschige Verfilmung ihres Lebens mit Salma Hayek in der Hauptrolle zum durchschlagenden internationalen Erfolg.

Gemälde von Frida Kahlo

Courtesy Galería Arvil, Mexiko-Stadt

„Stillleben“, 1951

Die Ausstellung kann man ebenfalls wie eine Biografie lesen, nicht zuletzt anhand der Fotos, die Kahlos Großnichte persönlich ausgewählt hat. Einige der Gemälde und Zeichnungen überraschen jedoch - gerade weil sie zumindest auf den ersten Blick nichts mit Kahlo selbst zu tun haben (Stillleben von Früchten und abstrakte Fingerübungen). In den Erklärungen neben den Bildern freilich offenbart sich deren Inhalt, aller Buntheit zum Trotz: Frida und ihr Leiden. Breton sagte einmal über seine Geliebte: „Die Kunst der Frida Kahlo ist eine Schleife um eine Bombe.“ Der Explosion kann man ab sofort im Bank Austria Kunstforum beiwohnen. Es knallt gewaltig.

Simon Hadler, ORF.at

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