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Zum Auftakt seines Besuchs in Italien hat der libysche Staatschef Muammar al-Gaddafi mehreren Hundert jungen Frauen eine Lektion über den Islam erteilt. Teilnehmerinnen erzählten, im Anschluss habe Al-Gaddafi Korane verteilt.

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Zumindest drei Frauen konnte der Staatschef offenbar überzeugen: Sie konvertierten den Angaben zufolge an Ort und Stelle zum Islam. Eine Modelagentur hatte zwischen 200 und 500 Frauen rekrutiert, die eine nicht genannte Summe für die Teilnahme erhielten.

Junge Models warten auf das Treffen mit Al-Gaddafi

Reuters/Max Rossi

Models warten auf das Treffen mit Muammar al-Gaddafi.

Mit Bussen wurden die Frauen zur Residenz des libyschen Botschafters in Rom gebracht, wo Al-Gaddafi kurz nach seiner Ankunft seine Ansprache hielt. Bei seinem letzten Besuch in Italien hatte er bei einer ähnlichen Veranstaltung vor 200 Models über Religion gesprochen und auch sie zum Übertritt ermutigt.

Proteste gegen Bekehrungsappell

Al-Gaddafi appellierte vor den Models: „Europa sollte sich zum Islam bekehren.“ Diese Aufforderung ausgerechnet in der Stadt, die die Zentrale der katholischen Kirche beherbergt, führte umgehend zu zahlreichen kritischen und empörten Reaktionen.

„Wenn ich in Tripolis die libysche Bevölkerung dazu aufrufen würde, zum Christentum überzutreten, würde ich wahrscheinlich nicht heil nach Hause kommen“, kritisierte Rocco Buttiglione von der christdemokratischen Partei UDC die Äußerungen Al-Gaddafis. Mitglieder der Opposition sprachen von einer „peinlichen Show“.

Der italienische Regierungschef Silvio Berlusconi und enge Freunde Al-Gaddafis hielt sich hingegen mit öffentlichen Stellungnahmen zurück. „Kein Wirbel um Folklore“ sei die Parole, was den Gast aus Libyen angeht, zitierte die römische Tageszeitung „La Repubblica“ am Montag aus Regierungskreisen.

Anflug mit 30 Pferden

Viel Folklore und Show war - wie immer bei Gaddafi - tatsächlich im Spiel. Zum Gefolge des libyschen Staatschefs gehörten 30 Pferde, die am Montag gemeinsam mit einer Reiterstaffel der Carabinieri eine Parade abhielten. Es ist bereits Al-Gaddafis vierte Reise zu der früheren Kolonialmacht binnen kurzer Zeit. Mit seinem Besuch feierte er den zweiten Jahrestag der Unterzeichnung des Freundschaftsvertrags, in dem Italien dem südlichen Nachbarn eine Entschädigung von fünf Milliarden Dollar (3,93 Mrd. Euro) für die 30 Jahre währende Besatzungszeit zuerkannte.

Al-Gaddafi hatte Italien erstmals im Juni 2009 besucht und dabei den Beginn einer neuen Ära zwischen beiden Ländern ausgerufen. Die libysch-italienischen Beziehungen haben sich in jüngster Zeit stetig verbessert. Besonders eng sind die Verflechtungen in der Wirtschaft, und hier vor allem im Energiesektor.

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