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„Europa könnte morgen schwarz sein“

Der libysche Staatschef Muammar al-Gaddafi hat von der Europäischen Union „jährlich mindestens fünf Milliarden Euro“ für den Kampf gegen illegale Einwanderer aus Afrika gefordert. Libyen sei das Eingangstor der „unerwünschten Immigration“, diese könne nur an den Grenzen seines Landes gestoppt werden, sagte Al-Gaddafi am Montagabend in Rom.

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„Morgen ist Europa möglicherweise nicht mehr europäisch und könnte sogar schwarz sein, denn Millionen (Afrikaner, Anm.) wollen hereinkommen“, so Al-Gaddafi bei einem Treffen mit Geschäftsleuten in Rom. Es liege deshalb ganz im Interesse Europas, auf seine Forderungen einzugehen, „sonst kann es schon morgen zu einem zweiten Afrika werden“.

Al-Gaddafi versicherte, seine Forderung werde auch von Italien unterstützt. Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi, der sich während Al-Gaddafis Rede an dessen Seite befand, ging auf die Äußerungen seines Gastes nicht weiter ein.

Brüssel schweigt

Die EU hat zu Al-Gaddafis Forderung keine Meinung. „Wir haben die Presseberichte gesehen. Wir können die Erklärungen von Herrn Al-Gaddafi nicht kommentieren“, sagte ein Sprecher der EU-Kommission lediglich am Mittwoch in Brüssel.

Deal mit Italien als Vorbild?

Anlass für Al-Gaddafis Rom-Besuch war der zweite Jahrestag der Unterzeichnung des Freundschaftsabkommens zwischen beiden Ländern. Italien hatte Libyen als Entschädigung für die Kolonialzeit mehrere Milliarden Euro in Form von Projektinvestitionen zugesagt. Das nordafrikanische Land verpflichtete sich im Gegenzug, die Weiterreise von Flüchtlingen über das Mittelmeer nach Italien zu verhindern. Am Abend nahm Al-Gaddafi, der wie immer sein eigenes Beduinenzelt mitbrachte, gemeinsam mit Berlusconi an einer Gedenkfeier zum Freundschaftsabkommen teil.

Berlusconi und Al-Gaddafi stehend in einem fahrenden Jeep

Reuters/Max Rossi

Zwei politische Showmaster in ihrem Element

Diese wurde mit viel Bombast und Folklore begangen - Höhepunkt war ein Pferdekorso, zu dem der für seine Exzentrik bekannte Machthaber 30 Berberpferde mitgebracht hatte.

Flüchtlinge verschwinden

Der Besuch des „Colonnello“ - wie Al-Gaddafi in Italien auch genannt wird - rief auch mehrere Hilfsorganisationen auf den Plan. „Es ist sehr wichtig, dass wir unsere Arbeit in Libyen vollständig wieder aufnehmen“, erklärte Laura Boldrini, italienische Sprecherin des UNO-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR), dessen libysche Basis Anfang Juni auf Geheiß von Tripolis geschlossen worden war.

Boldrini wies auf das Problem der Flüchtlinge hin, die weiterhin aus Nordafrika übers Meer nach Italien kämen und meist noch auf See direkt wieder abgeschoben würden, um allzu oft in Libyen zu verschwinden. Die seit Mitte 2009 von Rom praktizierte und von Tripolis geduldete Ausländerpolitik hatte bereits mehrfach international Kritik ausgelöst.

Amnesty International forderte Berlusconi auf, bei dem Treffen mit Al-Gaddafi die Menschenrechtsverletzungen in Libyen anzusprechen.

Probegalopp für Revolutionsfeiern

Die Feier in Rom, bei der Al-Gaddafi in drastischen Worten an Grausamkeiten der Italiener während der Kolonialzeit erinnerte, ist für den Oberst aus Libyen eine Art Vorbereitung für die Feierlichkeiten zum 41. Jahrestag der Revolution, die ihn am 1. September 1969 an die Macht gebracht hatte. In der libyschen Hauptstadt Tripolis wurden am Montag bereits die Straßen rund um den Grünen Platz geschmückt, auf dem ein Teil der Feierlichkeiten stattfinden soll.

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