Euphorie wird in Angst umschlagen
Die in einem Bergwerk in Chile verschütteten 33 Bergleute haben erfahren, dass sie noch Monate auf ihre Rettung warten müssen. Bis dahin sollen sie mit umfassender psychologischer Betreuung und einem Fitnessprogramm auf die Rettung vorbereitet werden.
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Denn der Rettungsschacht, der bis zu den in 700 Meter Tiefe eingeschlossenen Kumpeln gebohrt werden soll, wird nur 66 Zentimeter Durchmesser haben. Dafür muss noch der Platz für den Rettungskorb abgerechnet werden. Laut offiziellen Angaben dürfen die Kumpel nicht mehr als 90 Zentimeter Hüftumfang haben, damit sie durch den Schacht passen.
US-Durchschnitt 100 cm
Laut Nachrichtenagentur AP wären die meisten US-Amerikaner nicht schlank genug für den Rettungsschacht. Im Durchschnitt haben männliche US-Bürger einen Hüftumfang von mehr als 100 cm.
Die 33 Verschütteten haben seit dem Mineneinsturz sicher deutlich abgenommen. Unklar ist aber noch, wie viel Gewicht jeder von ihnen verloren hat und in welchem allgemeinen körperlichen Zustand sie sich befinden. Die meisten der Kumpel waren vor dem Unglück allerdings stark übergewichtig. Mit einem Fitnessprogramm soll verhindert werden, dass die Kumpel wegen Bewegungsmangels und auch wegen befürchteter Depressionen Gewicht zulegen.
Unterdessen wurde den Verschütteten mitgeteilt, „dass wir hoffen, Weihnachten mit ihnen zusammen zu sein“, sagte Gesundheitsminister Jaime Manalich am Mittwoch vor Journalisten. Er erwarte, dass die Stimmung bei den seit dem 5. August eingeschlossenen Minenarbeitern nun schlechter werde.
„Großes Zeitfenster“
Den Verschütteten sei gesagt worden, dass eine Rettung vor dem chilenischen Nationalfeiertag am 18. September auf keinen Fall möglich sei, sagte Manalich. Als Ziel sei den Bergleuten genannt worden, sie bis Weihnachten zu befreien. Manalich räumte ein, dass das „immer noch ein großes Zeitfenster“ für den Zeitpunkt ihrer Befreiung sei, der aber nach und nach genauer bestimmt werden könne.
Manche Experten glauben allerdings, dass der Rettungsschacht viel früher fertiggestellt werden kann. Larry Grayson, US-Professor für Bergbautechnik an der Penn State University, hält das binnen 30 Tagen für möglich. Gustavo Lagos, Professor an Chiles Minenzentrum, glaubt, der Schacht könnte im Idealfall binnen zwei Monaten fertig sein.
In 700 Meter Tiefe
Die 33 Bergleute sitzen seit dem 5. August in knapp 700 Meter Tiefe fest. Damals stürzte die kleine Gold- und Kupfermine San Jose am Rand von Copiapo in der Atacama-Wüste, etwa 850 Kilometer nördlich der Hauptstadt Santiago, ein. Dass die für ihre Rettung notwendige Bohrung eines neuen Schachts voraussichtlich drei bis vier Monate dauern wird, wussten die Verschütteten bisher nicht. Mit der Bohrung des Rettungsschachts soll in den nächsten Tagen begonnen werden.
„Unglaublicher Lebensmut“
Bisher sei bei den 33 Verschütteten keine Verschlechterung der Stimmung festzustellen, sagte der Gesundheitsminister. „Es wäre jedoch naiv anzunehmen, dass sie fähig sein werden, ihren unglaublichen Lebensmut zu bewahren, den sie jetzt schon so lange gezeigt haben.“ Er erwarte, dass die nach dem ersten Kontakt am Sonntag unter den Verschütteten entstandene Euphorie nun in „Depressionen, Angst und Niedergeschlagenheit“ umschlagen werde.
Am Sonntag wurde der erste Kontakt zu den Verschütteten hergestellt, am Tag darauf wurden die Kumpel über ein acht Zentimeter dünnes Rohr erstmals mit Vorräten versorgt.
Bewegungs- und Unterhaltungsprogramm
Die Regierung bereitet nun ein medizinisches und therapeutisches Programm vor, um die Bergleute zu unterstützen. Jeden Tag sollen Ärzte die Männer befragen, zudem sind Bewegungsspiele und andere Beschäftigungen wie Singen geplant, wie Manalich erklärte. Neben Medikamenten, Nahrungsmitteln, Stiften und Spielkarten erhalten die Männer über das dünne Rohr auch Post von ihren Familien.

APA/Clarin
Schematische Darstellung des Verbindungsschachts
„Aus dieser Hölle herauskommen“
Bevor die Arbeiter über ihre langwierige Rettung informiert wurden, flehten sie in einem Telefonat mit Chiles Staatschef Sebastian Pinera um rasche Hilfe. „Wir hoffen, dass ganz Chile sich anstrengen wird, damit wir aus dieser Hölle herauskommen“, sagte der Vorarbeiter Luis Urzua.
„Sie werden nicht alleingelassen, und sie wurden nicht eine Sekunde alleingelassen“, versicherte Pinera dem Arbeiter. „Das ganze Land ist bei Ihnen und ich möchte Ihnen versichern, dass Ihre Familien begleitet und unterstützt werden.“ Pinera sprach vom Präsidentenpalast aus über Funktelefon mit dem Sprecher der Arbeiter, zu denen ein Kabel in die Tiefe führt.
„Ihnen fehlte schlicht die Leiter“
Zuvor war bekanntgeworden, dass die Bergleute offenbar nur wegen einer fehlenden Leiter am Lüftungsschaft nicht rechtzeitig ins Freie gelangt waren. „Sie versuchten, herauszukommen. Aber ihnen fehlte schlicht die Leiter dazu“, sagte Bergbauminister Laurence Golborne, nachdem er mit den eingeschlossenen Arbeitern kommuniziert hatte. Demnach hätten die Kumpel innerhalb der zwei Tage nach dem Einsturz der kleinen Gold- und Kupfermine ins Freie gelangen können. Erst nachträgliche Erdrutsche hätten den Zugang zum Lüftungsschacht dann endgültig versperrt.
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