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Operntexte von Internetusern

Die renommierte Londoner Oper führte im vergangenen Jahr die weltweit erste „Twitteroper“ unter dem Titel „Twitterdämmerung“ auf. Im Vorfeld musste sich das Royal Opera House (ROH) dafür viel Kritik und Hohn gefallen lassen - das Ergebnis stieß dann jedoch sowohl bei der Presse als auch beim Publikum auf durchwegs positive Reaktionen.

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Das Libretto der im September 2009 uraufgeführten Oper setzt sich aus rund 900 Twittermeldungen zusammen, die User nach Aufforderung des Opernhauses verfassten. Vorgegebenes Thema gab es keines, nur ein Satz diente als Ausgangspunkt und Inspiration der Twitterer: „One morning, very early, a man and a woman were standing, arm-in-arm, in London´s Covent Garden“. Entsprechend kreativ wurde schließlich auch der Inhalt der Oper: Schon die erste Szene handelt von rachsüchtigen Vögeln, roten Katzen und einer mysteriösen Frau in einem Biochemielabor.

Die Idee des Royal Opera House war nach eigenen Angaben, junge Menschen sowie Leute in den kreativen Prozess einer Oper zu integrieren, die bisher nie mit dieser in Kontakt gekommen waren. Zudem wollte man schauen, was bei einer solchen zufälligen Zusammenarbeit alles entstehen würde.
Die Textausschnitte wurden zusammen mit Melodien bekannter Opern wie „Götterdämmerung“ und „Don Giovanni“ sowie eigenen Stücken der Komponistin Helen Porter zu einem abendfüllenden Musiktheaterabend zusammengefasst und aufgeführt.

„Die Oper des Volkes“

„Es ist die Oper des Volkes und eine perfekte Art und Weise, wie jeder an dem Einfallsreichtum der Oper teilhaben kann“, erklärte Alison Duthie von der Royal Opera. Mitmachen konnte jeder, der bei Twitter angemeldet ist. Die Hobby-Opernschreiber konnten Texte mit maximal 140 Zeichen verfassen. Nachdem die Twittermeldungen, auch „Tweets“ genannt, ausgewertet waren, gab es lediglich ein paar wenige Probetage – die professionellen Musiker und Sänger mussten aus dem Stegreif das Material umsetzen. Die Messlatte war sicherlich nicht gerade niedrig, schließlich hatte man sich mit dem Titel „Twitterdämmerung“ keine geringere Referenz als Richard Wagners berühmte „Götterdämmerung“ zum Vorbild genommen.

„Das Ende des guten Geschmacks“ und eine „Banalisierung der Oper“ war in den britischen Medien vor der Premiere zu lesen. Sie sahen schon den guten Ruf der Londoner Oper dahinschwinden. Doch diese Angst scheint überflüssig gewesen zu sein: So schrieb der einflussreiche Kritiker Igor Toronyi-Lalic in der „London Times“, innerhalb des ganzen Nonsens habe es einige brilliante Momente gegeben. Besonders die Duette seien an manchen Stellen das Amüsanteste, was er seit langer Zeit in einer Oper gesehen habe. Dann wird die Twitteroper 2.0 sicherlich nicht lange auf sich warten lassen.

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