Computer machen keine Fehler
Twitter, YouTube, Facebook: Kaum eine Web-2.0-Plattform wurde noch nicht Gegenstand eines Theaterstücks, eines Romans, eines Films oder einer Oper. Nun schafft es auch eine der unangenehmen Nebenerscheinungen des Internets auf die Bühne: Spam.
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Die komödiantische Auseinandersetzung „Gain extra inches! Die Spam-Oper“ der Gruppe progetto semiserio hatte am Dienstagabend im Wiener Schauspielhaus Premiere. Grundlage dafür waren „80 Prozent original belassene Spam-Mails“. Für E-Mail-User mit durchschnittlichem E-Mail-Aufkommen klingt der Text wohlvertraut: Die Waisenkinder in Nigeria, die gleichsam schöne wie arme Elena aus Russland oder der Namensvetter in Benin, der verzweifelt jemanden sucht, der ihm Teile der Millionenerbschaft abnimmt.

Nick Mangafas
Bartolo Musil in der Rolle des Spammers
Eine Erklärung, woher die unangekündigte und unerwünschte Zwangsmailbeglückung kommt, bietet das Ensemble, und macht es sich dabei ein bisschen zu einfach. Der Spammer ist, geht es nach progetto semiserio, ein Student vom Typ „Computer-Nerd“, dessen Freundin seinen Job (Millionen Mails versenden) nicht so gut findet wie er das damit verdiente Geld. Angesichts der Schäden in Milliardenhöhe, die die zunehmende Spam-Flut weltweit verursacht, wohl eine zu simple Idee.
Zahlen, Daten, Fakten
Auch Fakten dürfen in der Spam-Oper nicht fehlen. Von Begriffsdefinition über statistische Daten des Cybermülls wird das Publikum in teils altklugem Ton belehrt. In wechselnden Rollen agiert das Ensemble dabei miteinander und wirkt dabei immer bemüht witzig. Wirklich zum Lachen ist die Spam-Oper in der Regie von Annika Haller nur dann, wenn die Darsteller nicht versuchen, in der künstlerischen Auseinandersetzung betont komisch zu sein.

Nick Mangafas
Viagra oder Penisverlängerungen: Spams beinhalten oft unmoralische Angebote.
Ansonsten versinkt das Stück im reichlich amateurhaft wirkenden Bühnenbild (Ausstattung: Daniela Juckel) aus Karton. Was demonstrieren soll, dass man aus Müll schöne Hüllen bauen kann und sich Versprechungen nicht immer einlösen, zeigt maximal Letzteres. Die Bühnenwirksamkeit von Papphochhäusern erweist sich damit als ziemlich begrenzt, selbst für einen nur 75-minütigen Abend.
Gelungene Kompositionen
Musikalisch beweist das Stück Klasse - wenn auch nicht als Oper. Die Kompositionen von Periklis Liakis sind der perfekten Vertonung neuzeitlicher Kommunikation schon ziemlich nahe. Eintönig werden nur zeitweise die Gesangspartien, die melodisch kaum voneinander zu unterscheiden sind und in einer Art Opernsprechgesang dahinplätschern. Für eine willkommene Unterbrechung sorgt da nur ein aus dem Rahmen fallender „Spam-Rap“.
„Gain extra inches!“ ist ein Stück über Versprechen und Geldmacherei mit menschlichen Bedürfnissen. Billiger, einfacher, schneller und anonymer soll es im Cyberspace gehen. Letztendlich darf auch eine Anleitung zum Verfassen erfolgreicher Spam-Mails nicht fehlen, denn: „Spams generieren sich nicht selbst. Computer machen keine Fehler.“
Sophia Felbermair, ORF.at
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