Ermittler wollen mehr Kompetenzen
Das Szenario ist bisher vor allem aus US-Spielfilmen bekannt: Ein Kronzeuge will „auspacken“, lässt seine Komplizen hochgehen und bekommt dafür vom Staatsanwalt Straffreiheit zugesagt. Eine derartige „große Kronzeugenregelung“ existiert in Österreich derzeit nur im Kartellrecht.
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Im Strafrecht gibt es zwar eine „kleine Kronzeugenregelung“. Über die Strafmilderung entscheidet dabei aber erst das Gericht - zu spät für die ermittelnden Staatsanwälte, die auf die Aussagen der Kronzeugen schon im Ermittlungsverfahren angewiesen wären, wo darüber entscheiden wird, ob es überhaupt zur Anklage kommt.
Erfolge bei Kartellfällen
Die Kronzeugenregelung im Kartellrecht gilt als Erfolgsmodell, weil die beiden größten Einzelfälle der vergangenen Jahre mit der 2006 eingeführte Regelung „geknackt“ werden konnten: Beim 2007 aufgeflogenen „Aufzugs- und Fahrtreppenkartell“ fungierte der deutsche Thyssen-Krupp-Konzern als Kronzeuge, belastete seine Mitverschwörer und ging dafür straffrei aus.
Die anderen beteiligten Firmen (Otis, Kone, Schindler, Haushahn und Doppelmayr) wurden damals umgekehrt zu Geldstrafen von insgesamt 75,4 Mio. Euro verurteilt. Auch das im März aufgeflogene „Speditionskartell“ mit mutmaßlich 40 beteiligten Firmen ist ein Kronzeugenfall. Das Verfahren ist allerdings noch nicht abgeschlossen.
„Kleine Kronzeugenregelung“ kaum genutzt
Die seit 1998 im Strafrecht mögliche „kleine Kronzeugenregelung“ gilt dagegen als kaum effizient. Demnach können die Gerichte bei organisierter Kriminalität (also kriminellen oder terroristischen Vereinigungen beziehungsweise Neonazi-Gruppen) eine außerordentliche Strafmilderung für jene Angeklagten aussprechen, die zur Beseitigung der Gefahr sowie zur Aufklärung beigetragen haben.
Die Regelung findet wenig Anklang: In den ersten zehn Jahren wurde sie im Bereich der Oberstaatsanwaltschaften Linz und Innsbruck nie, in Graz nur zweimal (bei Drogendelikten) angewandt. In Wien gab es Kronzeugenfälle in den Bereichen „Organisierte Kriminalität“ und „Politische Strafsachen“. Die Möglichkeit, Kronzeugen Strafnachlass unter der jeweiligen Mindeststrafe zu gewähren, wurde kaum genutzt.
UNO-Empfehlung derzeit gar nicht umsetzbar
In einem 2008 ans Parlament übermittelten Bericht des Justizministeriums wird die „kleine Kronzeugenregelung“ als „keine hinreichende Grundlage“ zur Aufklärung von Korruptionsdelikten bezeichnet. Insbesondere das Büro für Interne Angelegenheiten im Innenministerium (inzwischen Bundesamt zur Korruptionsbekämpfung, BAK) sowie die Korruptionsstaatsanwaltschaft drängten daher auf die Einführung einer großen Kronzeugenregelung.
Das Argument: Bei der „kleinen Kronzeugenregelung“ trifft die Entscheidung über die Strafmilderung erst der Richter im Strafprozess. Auf die Kooperation der Kronzeugen angewiesen wären die Behörden aber schon im Ermittlungsverfahren. Völlige Straffreiheit für Kronzeugen, wie sie die UNO-Konvention zur Bekämpfung der Korruption vorsieht, ist nach heimischem Recht derzeit überhaupt nicht möglich.
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