Integration nur in Ansätzen gelungen
Bettelnde Kinder und Frauen in den Elendsquartieren der Millionenstadt Bukarest einerseits, „Zigeunerpaläste“ mit den typischen Erkern und Türmchen über das Land verstreut anderseits: So widersprüchlich zeigt sich Rumäniens größte Minderheit, die Roma. Wer es in die Mittelschicht geschafft hat, will kein Roma mehr sein.
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Offiziell sind 537.000 Roma in Rumänien registriert. Da viele jedoch keinen festen Wohnsitz haben und nicht angemeldet sind, wird ihre tatsächliche Zahl auf 1,8 bis 2,5 Millionen oder rund zehn Prozent der Gesamtbevölkerung geschätzt. Damit überflügeln die Roma heute die offiziell größte Minderheit der Ungarn, die etwa 1,4 Millionen oder sechs Prozent der Bevölkerung im Vielvölkerstaat ausmachen.
Roma und Sinti
Ursprünglich stammen die Roma aus Indien. Im 11. Jahrhundert setzte aufgrund der muslimischen Eroberung des Subkontinents eine Auswanderungswelle in Richtung Europa ein. Bis zum 16. Jahrhundert verteilten sich die Roma über den europäischen Kontinent. In Mitteleuropa wurde die Volksgruppe als Sinti bezeichnet, mit Roma sind die in Osteuropa lebenden Gruppen gemeint.
Der Versuch, die Roma zu integrieren, ist immerhin ansatzweise geglückt, wie der Roma-Vertreter und Universitätsprofessor Gheorghe Sarau in Bukarest einräumt. Er gehört zu den wenigen, die den Aufstieg in der rumänischen Gesellschaft geschafft haben.
Fortschritte im Schulsystem
Untersuchungen des Ministeriums für Bildung und Forschung über den Unterricht für nationale Minderheiten zwischen 2003 und 2006 ergaben, dass sich rund 260.000 Schüler vom Kindergarten bis zum Gymnasium zur Roma-Minderheit bekennen. Im Schulunterricht wird auch in ihrer Sprache Romani und über ihre Geschichte unterrichtet, was früher nicht der Fall war. Etwa 1.000 Lehrkräfte wurden ausgebildet, davon etwa die Hälfte im Schulsystem.
Seit dem Ende des kommunistischen Regimes laufen Bemühungen um eine erfolgreiche Integrationsstrategie, in die auch Roma-Vertreter eingebunden werden. Rund 80 Nichtregierungsorganisationen, religiöse Gruppen und die Regierung arbeiten daran. Auch die EU hat seit 2005 spezielle Programme zur Förderung von Bildung, Arbeitsplätzen und Diversität von Minderheiten und speziell der Roma in Osteuropa gestartet, an die sich viele Hoffnungen knüpfen.
Situation verschlechtert
Aus der Sicht Saraus hat sich die Lage der Roma allerdings seit 1989 eher verschlechtert. Während des Kommunismus sei zwar der Assimilierungsdruck stark gewesen, viele hätten ihre eigene Sprache nicht mehr sprechen können. Aber die Roma hatten so wie ihre rumänischen Mitbürger Recht auf Arbeit, Wohnung und Schulausbildung. Heute sei das nicht mehr gewährleistet.
Sarau bescheinigt dem Land aber, dass es in den vergangenen Jahren nicht mehr zu heftigeren Aggressionen gegen die Minderheit gekommen sei. Nach Konflikten in den Jahren 1990-94 zwischen Roma und Griechen, bei denen auch Roma-Häuser angezündet wurden, sorgten neue Gesetze und eine eigens geschaffene Agentur gegen Diskriminierung für einen besseren Schutz der Roma.
Basescu vor Diskriminierungsagentur
So wurde etwa der Politiker Trajan Basescu vor diese Agentur zitiert, nachdem er eine Reporterin als „schlampige Zigeunerin“ beschimpft hatte. Die rechtsextreme, nationalistische Großrumänien-Partei verhalte sich seit fünf Jahren ruhig, so Sarau. Die Anti-Roma-Parteien sollten verstehen, dass auch die Roma „ein Teil Europas sind und auf ein besseres Leben hoffen.“ Ländern wie Italien, Frankreich oder Großbritannien hält der Roma-Vertreter vor, auf den „Zug nach Westen“ nicht mit entsprechenden Integrationsprogrammen reagiert zu haben. „Soll man die Roma wie im Mittelalter köpfen und dafür Kopfgeld kassieren“?
Eine weitere Agentur versucht, den Roma Jobs zu vermitteln. Negative Vorurteile erschweren es jedoch Roma-Stämmigen immer noch, eine Anstellung zu bekommen. Ein junger Rechtsanwalt berichtet von seinen Bemühungen um einen Arbeitsplatz, der ihm telefonisch bereits zugesagt worden war. Bei der persönlichen Vorstellung habe es dann plötzlich geheißen, die Stelle sei vergeben.
Kaum reiche Roma
Zu Reichtum haben es laut Sarau nur ganz wenige Roma gebracht. Diejenigen, die sich einen Palast bauen konnten, stammen meist aus einem Stamm, der seit Jahrhunderten Töpferei betreibt. Diese Familien hätten in der Regel Gold geerbt, versucht Sarau den Reichtum zu erklären. „Schauen Sie hinter die Paläste“, meint hingegen die Roma-Expertin Mona Prisacariu von der George Soros-Stiftung in Bukarest in einem Interview.
„Die Roma leben dort in Zelten. Das sind zwei Welten. Die vorne kümmern sich keinen Deut um die, die hinten leben.“ Prisacariu geht davon aus, dass sich der Teufelskreis von Armut, Arbeitslosigkeit und Diskriminierung wegen der unterschiedlichen Werte und Mentalität der Roma nur über Generationen hinweg durchbrechen lasse.
Denise von Cles, APA
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