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Berechenbare Börsenwelt

Die meiste Zeit seines Lebens war Ralph Nelson Elliott ein unauffälliger Buchhalter in den USA. In den 1930er Jahren zwang ihn perniziöse Anämie jedoch in Frühpension - und er begann über die Gründe für die damalige schwere Wirtschaftskrise nachzudenken.

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Der damals knapp 60-Jährige war überzeugt, dass alles im Universum Gesetzen gehorcht, die es nur zu entschlüsseln gelte. Für die Wirtschaft entwickelte er ein Modell aus antagonistischen Bewegungen, die - vereinfacht betrachtet - für Optimismus und Pessimismus bei Investoren stehen.

Aktion und Reaktion

Jede dieser Bewegungen erzeugt laut der Theorie wiederum eine Gegenbewegung, die ihrerseits wiederum eine Gegenbewegung zur Folge hat - bis ins Unendliche. In Summe ergeben sich daraus Wellenformen, denen die Märkte laut Elliott gehorchen. Die Wellen sorgen demnach wiederum für berechenbare Zyklen - von Minutenabständen bis hin zu „Superzyklen“ über Jahrhunderte hinweg. Aus Elliotts Korrespondenz geht hervor, dass er selbst am allererstauntesten darüber war, dass seine Theorie tatsächlich funktioniert.

Stundengenaue Prognosen per Telegramm

Im Jahr 1934 entschloss sich Elliott, mit seinen Ideen an die Öffentlichkeit zu gehen und bot seine Dienste dem Großinvestor Charles Collins an. Der tat, was er von allen verlangte, die ihm ihre Dienste anboten: Er wollte einen Beweis seines Könnens.

Elliott nahm die Herausforderung an - und schickte Collins stundenweise Telegramme mit Kursprognosen. Dessen Verwunderung über die korrekten Prophezeiungen schlug in vorbehaltlose Bewunderung um, als Elliott am 13. März 1935 sein Meisterstück lieferte.

Allein gegen alle

An jenem Tag sah alles nach einem zweiten „schwarzen Freitag“ aus. Der Dow-Jones-Index rasselte scheinbar unaufhaltsam tiefer, die ganze Branche ging in Deckung. Elliott insistierte jedoch, die Talsohle sei genau mit diesem Tag zu Handelsschluss erreicht. Er schickte Collins ein entsprechendes Telegramm, sollte recht behalten und machte den Investor damit zum Gewinner des Tages. Der war daraufhin so beeindruckt, dass er zu Elliotts Gönner wurde und der seine Thesen in Buchform gießen konnte.

„Das Geheimnis des Universums“

Das Buch und die folgenden Bulletins wurden legendär, Elliott wurde einer der ersten großen Wirtschaftsgurus. Er selbst geriet jedoch immer tiefer in den Strudel seiner eigenen Theorien, die schließlich 1946 in einem Buch gipfelten, das er selbst als sein Lebenswerk sah. Der Buchtitel legt beredtes Zeugnis von Elliotts Anspruch ab: „Das Gesetz der Natur - das Geheimnis des Universums“. Darin war er, zwei Jahre vor seinem Tod, zum Schluss gekommen, dass letztlich alles vorbestimmt sei und man sich nur in sein Schicksal fügen könne.

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