Russen mit Krisenmanagement unzufrieden
Russlands Regierung mit Präsident Dimitri Medwedew und Ministerpräsident Wladimir Putin an der Spitze wird angesichts der seit Tagen wütenden Brandkatastrophe immer mehr zur Zielscheibe der Kritik. Immer weniger Russen trauen dem Führungsduo offenbar zu, das Krisenmanagement in der Hand zu haben, zumindest zeigen das aktuelle Umfragen.
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Die Popularitätswerte beider Politiker seien, erklärte am Dienstag das Meinungsforschungsinstitut FOM in Moskau, auf den tiefsten Stand seit Juli 2008 gesunken: Während im Jänner noch 62 bzw. 69 Prozent der Russen erklärt hatten, sie hätten Vertrauen in Medwedew und Putin, waren es zuletzt nur noch 52 bzw. 61 Prozent. Laut einer Umfrage des Instituts WCIOM sanken die Popularitätswerte des russischen Führungsduos von 48 auf 39 bzw. von 53 auf 47 Prozent.
In Russland schneidet die politische Führung in Meinungsumfragen gemeinhin deutlich besser ab als in anderen Ländern. Das dürfte unter anderem daran liegen, dass der Kreml großen Einfluss auf die russische Medienlandschaft hat. Die anhaltenden Brände, bei denen bisher über 50 Menschen starben, lösten jedoch ungewöhnlich offene Kritik an der Führung in Moskau aus – und das, obwohl sich besonders Putin gerne als Krisenmanager am Ort des Geschehens zeigt und den von der Katastrophe Betroffenen großzügig Hilfe verspricht.
Reformen zugunsten der Wirtschaft
Oppositionelle wie Umweltschützer gaben der Regierung Mitschuld an den Problemen bei der Bekämpfung der schweren Wald- und Flurbrände. Unter der Präsidentschaft des nunmehrigen Ministerpräsidenten Putin sei der Schutz der russischen Wälder 2006 zugunsten der Wirtschaft gelockert worden.
„Geld verdienen und verschwinden“
„Es ist gut für große Firmen mit guten Beziehungen zur Regierung. Sie können Bäume schnell fällen, Geld verdienen und verschwinden“, kritisierte Alexej Jaroschenko von Greenpeace Russland. Durch das Gesetz seien die 70.000 Förster eingespart worden, die sofort jeden Brand gemeldet hätten. Die neuen Bestimmungen machten es auch leichter, Forstflächen in Bauerwartungsland umzuwandeln.
In Putins Amtszeit als Präsident verfolgte Russland die Strategie, die Wälder im selben Umfang auszubeuten wie die Erdöl- und Gasvorkommen, die die größten der Welt sind. Die russischen Wälder machen über 20 Prozent der weltweiten Forstflächen aus und sind von entscheidender Bedeutung für den globalen Klimaschutz.
„Brandstifter als Feuerwehrmann“
Auch die internationale Presse verwies zuletzt auf die unter Putins Präsidentschaft beschlossenen Maßnahmen, die sich nun zu rächen drohten. „Putin hat 2006 als Präsident die zentralen Dienste der Forstämter abgeschafft und 70.000 Förster entlassen, die bei der Vorbeugung und dem Krisenmanagement von Waldbränden eine wichtige Rolle gespielt haben“, hieß es zuletzt in der französischen Tageszeitung „Le Monde“.

Reuters/Denis Sinyakov
Verbrannter Waldboden
Nun mache er „schon Wahlkampf für die nächste Präsidentenwahl und sorgt sich um die Geschädigten und verspricht rasche Entschädigungen. Kaum anzunehmen, dass die Russen sich von dem Brandstifter überzeugen lassen werden, der als Feuerwehrmann auftritt." Wegen der Personaleinsparungen bei den Forstbehörden, aber auch den Feuerwehren konzentriere sich nun „der Zorn der Bevölkerung“ auf Putin, analysierte die französische „Liberation“.
Die Wut „der Menschen, deren Häuser abgebrannt sind", so die „Liberation“, sei verständlich. Es sei kaum anzunehmen, dass die Auftritte des Premierministers in den Katastrophenregionen und seine Versprechungen über Entschädigungen ausreichten, um „sein Image wieder aufzupolieren“. Putins Regierung, kommentierte die deutsche „Tageszeitung“ („taz“), sei als „autoritär überzentralisiertes System“ „durch jedwedes Krisenmanagement überfordert“.
Schweigsam in alter Kreml-Tradition
Andere Kritiker warfen der russischen Regierung vor, ganz in alter Kreml-Manier den tatsächlichen Ernst der Lage zu verschleiern, wie es einst nach dem Atomunfall von Tschernobyl und nach dem Untergang des Atom-U-Boots „Kursk“ geschehen sei. Ärzte hatten kürzlich berichtet, ihnen sei bei Androhung von Kündigung untersagt worden, die Hitze und die Brände als Krankheitsursache zu nennen.
Infolge der dramatischen Hitzewelle und der Dürre standen in Russland zuletzt über 1.700 Quadratkilometer Wald und Busch in Flammen und ließen dicke Rauchwolken über die Hauptstadt Moskau ziehen. Die Dürre lässt inzwischen auch schwere Ernteausfälle in Russland erwarten.
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