Mehr Panik als tatsächlicher Engpass?
Ernteausfälle bei Getreide haben in den letzten Wochen Unruhe in den globalen Markt für Agrarrohstoffe gebracht. Der Weizenpreis etwa schnellte insbesondere nach der Jahrhundertdürre in Russland in diesem Sommer kräftig in die Höhe. Die Weltbank warnte nun vor derartigen Maßnahmen. Die könnten eine weitere Ernährungskrise zur Folge haben.
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Als mögliche Ursachen nannte die Weltbank in einem Bericht die massiven Schwankungen bei Nahrungsmittelpreisen, die vor allem ärmeren Ländern schadeten. Die Organisation betonte, dass die weltweiten Reserven derzeit deutlich größer seien als während der letzten Nahrungsmittelkrise im Jahr 2008, als es etwa in mehreren Ländern der „Dritten Welt“ wegen der Preisexplosion bei Grundnahrungsmitteln zu Unruhen gekommen war.
Der derzeitige Preissprung sei also nicht primär durch tatsächliche Engpässe begründet. „Derzeit sehen wir keine Krise, und wir hoffen, sie abzufangen, in dem wir Länder darum bitten, nichts anzuordnen, was eine Krise herbeiführen könnte“, sagte die geschäftsführende Weltbank-Direktorin Ngozi Onkonjo-Iweala.
Ein Viertel weniger Weizen
Onkonjo-Iweala kündigte an, das Direktorium der Weltbank aufzufordern, den Welternährungsfonds zu aktivieren, der während der Krise 2008 geschaffen worden sei. Der Topf stünde zu Verfügung, wenn Entwicklungs- und Schwellenländer Hilfe bräuchten und Nahrungsmittel knapp würden.
Russland, einer der Top-Fünf-Weizenproduzenten weltweit, hatte zuletzt seine Ernteprognose auf maximal 65 Millionen Tonnen gesenkt. Durchschnittlich erntet das Land jährlich rund 90 Millionen Tonnen Weizen, im Vorjahr waren es fast 100 Millionen Tonnen. Darüber hinaus sorgte die Dürre in Teilen Zentralasiens und der gesamten Schwarzmeer-Region für einen sprunghaften Anstieg des Weizenpreises, in Indien bedrohte der Monsunregen Lagerbestände.
In derartigen Situationen Exportstopps zu verhängen, sei zwar auf den ersten Blick „logisch“, so die Stellungnahme der Weltbank, könne am Ende jedoch mehr Schaden anrichten als Nutzen bringen, indem sie durch Panik, weitere Handelsbeschränkungen und eine künstlich verknapptes Angebot eine weltweite Teuerungsspirale in Bewegung setze.
Preisexplosion nach Exportstopp
Seit Juni sei der Weizenpreis bereits um rund 60 Prozent gestiegen, rechnet die Organisation vor und warnt: Je mehr Länder versuchten, wie Russland ihr Preisniveau durch Exporteinschränkungen niedrig zu halten, desto höher würden die globalen Handelspreise klettern. Außerdem, so die Weltbank, könnten Krisen auf globaler Ebene leichter entschärft werden als durch nationale Alleingänge, insbesondere, da derzeit die weltweite Versorgung mit Getreide wie Weizen ausreichend sei.
FAO: Beinahe auf Krisenniveau 2008
Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (FAO) warnte wegen der gegenwärtigen Entwicklung bereits vor schwerwiegenden Auswirkungen für die Menschen in Entwicklungsländern. Das deutsche FAO-Büro in Berlin befürchtet „das Schlimmste“, da in der „Dritten Welt“ Menschen bereits jetzt bis zu 80 Prozent ihres verfügbaren Einkommens für Nahrungsmittel aufwenden müssten. Wenn sich Grundnahrungsmittel wie Weizen weiter rapide verteuerten, seien sie noch mehr dem Hunger ausgeliefert. Die Preise hätten, hieß es, in Entwicklungsländern beinahe wieder das Niveau der Welternährungskrise 2008 erreicht.
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