Glaubenskrieg wie in Europa
Gentechnisch manipulierte Lebensmittel wollen den Indern nicht so recht schmecken. In den USA ist „grüne Gentechnik“ auf dem Tisch seit dem Aufkommen der super haltbaren „Flavr Savr“-Tomate vor einem Jahrzehnt nichts Besonderes mehr, in Europa ist sie dagegen heiß umstritten. Ein ähnlicher Glaubenskrieg beginnt nun auch in Indien.
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Obwohl in dem künftig wohl bevölkerungsreichsten Land der Erde Millionen Menschen unterernährt sind, gibt es große Vorbehalte gegenüber dem Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen, die so widerstandsfähig und ertragreich sein sollen.

AP/Ajit Solanki
Erfolgreicher Protest gegen die Genmelanzani
Genmelanzani gestoppt
Bereits im Februar wurde die Freigabe der „Bt brinjal“ genannten ersten Genmelanzani der Welt gestoppt. Umweltminister Jairam Ramesh befand, da die Wissenschaft sich nicht einig und die Ablehnung in der Öffentlichkeit groß sei, bedürfe es weiterer Prüfungen, um den Konsumentenschutz sicherzustellen. Viele Wissenschaftler halten die „grüne Gentechnik“ für notwendig, wenn die bis 2050 voraussichtlich neun Milliarden Menschen auf Erden satt werden sollen. Der Widerstand dagegen hat vielfältige Gründe.
US-Konzern ausgeliefert
Die Einführung der Melanzani mit einem schädlingsresistenten Gen des US-Konzerns Monsanto würde nach Ansicht vieler Inder bedeuten, die Nahrungsmittelversorgung des Landes teilweise in die Hand eines ausländischen Multis zu legen. Das, so die Befürchtung, könnte verheerende Folgen für die 100 Millionen Kleinbauernfamilien nach sich ziehen. „Es wäre nicht übertrieben zu sagen, dass die Vorbehalte der Öffentlichkeit gegenüber ‚Bt brinjal‘ sehr stark von den Vorstellungen über Monsanto selbst geprägt sind“, erklärte Ramesh.
Kritiker warnen zudem vor übereilten Schritten, fordern schärfere Zulassungsbestimmungen, ausführlichere Studien über die gesundheitlichen Auswirkungen und eine Kennzeichnungspflicht. Die Frage ist, wie Indien, das nach UNO-Vorhersage bis 2030 China in Sachen Bevölkerungszahl überholen wird, seine Menschen ernähren will.
Höhere Erträge
Etliche weitere gentechnisch veränderte Pflanzensorten, auch von Grundnahrungsmitteln wie Reis, sind in Arbeit. Befürworter führen an, dass diese Pflanzen höhere Erträge bringen und die Ernte sicherer machen, weil sie widerstandsfähiger beispielsweise gegen Trockenheit sind. Ihre Zukunft ist nun in der Schwebe.
Mit dem Wohlstand ist in Indien auch die Nachfrage gewachsen, nicht aber die Produktion. Versorgungsengpässe und Dürre trieben die Lebensmittelpreise um 18 Prozent. 21 Prozent der Inder haben laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) nicht genug zu essen, 46 Prozent der Kinder sind untergewichtig.
Land der Kleinbauern
Trotz seines Hightech-Images ist Indien immer noch ein Land der armen Kleinbauern, die den Verheißungen der Industrialisierung nicht recht trauen. Mindestens 45 Prozent der Bevölkerung hängen mit ihrem Lebensunterhalt von der Landwirtschaft ab, die meisten haben kleine Familienbetriebe. Ihr Schicksal ist der Kern des Melanzanistreits.
Die bisher einzige kommerziell angebaute Genpflanze, Baumwolle, ist heftig umstritten. Die Erträge sind zwar gestiegen, doch das Saatgut ist teurer als das herkömmliche, sodass sich viele Bauern hoch verschuldet haben. Hier gehe es um die Existenzgrundlage, sagte der Historiker Manesh Rangarajan: „Die Sorge des Bauern ist die Abhängigkeit von der Saatgutfirma. Das ist eine echte Sorge.“
Erika Kinetz, AP
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