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Über zwei Jahre unterwegs

Ein Brite ist als erster Mensch den gesamten Amazonas von der Quelle bis zur Mündung entlanggegangen. Am Montag erreichte er die Ufer des Atlantiks im Norden Brasiliens. Rund 860 Tage brauchte Ed Stafford für die 6.500 Kilometer. Er meisterte bei diesem Marsch der Qualen alle Gefahren und „50.000 Moskitobisse“, wie er in einem Interview sagte.

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Ed Stafford und Gadiel Sanchez Rivera

AP/Renato Chalu

Stafford und Rivera auf ihrem Marsch

„Aufgabe erledigt“, teilte der Abenteurer am Montag über den Internet-Kurznachrichtendienst Twitter mit. Am Sonntag, dem Tag vor seiner Ankunft, brach Stafford vor Erschöpfung beinahe zusammen. „Ich schlafe beim Gehen ein“, schrieb er in seinem Blog. „Der letzte Tag wird sehr lang sein“ - geschafft hat er ihn dennoch.

Die wechselvolle Expedition des Afghanistan-Veteranen begann in Camanu in Peru nahe der Pazifikküste im April 2008, wie der „Daily Telegraph“ schreibt. Damals erwartete er noch, seine Amazonas-Wanderung innerhalb eines Jahres zu bewältigen. Doch wegen Überflutungen musste er große Umwege in Kauf nehmen und seinen Zeitplan revidieren.

Er sei kein Ökoaktivist. Trotzdem hoffe er, dass seine Tat auf die Zerstörung des Regenwalds aufmerksam mache. Aber im Grunde sei es nur eine einzige lange Ausdauerprüfung gewesen. Er freue sich schon auf ein Ende seiner Wanderung, so der 34-Jährige in einem Interview per Satellitentelefon. „Jeden Tag aufzustehen und die nasse Kleidung wieder anzuziehen, ist hart. Die Dauerbelastung - geistig und körperlich - war das Anstrengendste überhaupt.“ Er mache das nur, weil es noch niemand vor ihm gemacht habe.

„Das Unmögliche geschafft“

Stafford ist der erste Mensch, der erfolgreich den Amazonas von der Quelle zur Mündung zu Fuß bewältigte. Zwar gab es mindestens sechs Expeditionen, die den Amazonas von der Mündung bis zur Quelle erkundet haben, doch die befuhren den Fluss mit Booten. Kritiker waren zu Beginn äußerst skeptisch, dass das Experiment überhaupt gelingen könnte.

So streut ihm nun der britische Abenteurer Ranulph Fiennes Rosen. Fiennes selbst hatte mit 62 den Mount Everest bestiegen und als erster Mensch zu Fuß die Antarktis durchquert. Stafford habe das Unmögliche geschafft, so Fiennes. Vom Pazifik über die Anden die ganze Länge des Amazons bis zum Atlantik zu gehen, ist wahrhaft außergewöhnlich, so Fiennes im „Telegraph“ weiter.

Luftansicht des Amazonas

APA/EPA/Marcelo Sayao

Amazonas-Schutzgebiet Anavilhanas in Brasilien

Erster Weggefährte gab nach drei Monaten auf

Am 2. April 2008 starteten Stafford und ein Freund aus Großbritannien die Tour an der südlichen Pazifikküste Perus. Sein Partner hielt keine drei Monate durch. Stafford marschierte weiter. Hunderte Einheimische, die er unterwegs traf, begleiteten ihn auf seinem Weg. Im peruanischen Waldarbeiter Gadiel „Cho“ Sanchez Rivera fand er einen neuen Weggefährten, der ihn bis an den Atlantik begleiten wollte.

Unterwegs ernährten sich Stafford und Rivera von Piranhas, Reis und Bohnen sowie Proviant, den sie in den Dörfern entlang ihres Weges einkauften. Mit der Außenwelt blieb Stafford auch im dichtesten Dschungel verbunden. Über ein Satellitenmodem hielt er die Welt mit Einträgen in seinem Blog auf dem Laufenden. Sponsoren sorgten dafür, dass der Brite auf den Kosten für die Reise von rund 100.000 Euro nicht sitzenblieb.

Zahlreiche Gefahren überstanden

Stafford und sein Weggefährte legten aufgrund des schwierigen Terrains am Tag durchschnittlich nur etwas mehr als fünf Kilometer zurück. Während der Reise wurde das Zelt von Ameisen gefressen, und zweimal wurde Stafford zu Unrecht des Mordes verdächtigt. Auch andere Gefahren lauerten: fünfeinhalb Meter lange Kaimane, riesige Anakondas, tropische Krankheiten, Nahrungsmittelknappheit und Ertrinken.

Auch die Indianerstämme auf dem Weg waren Stafford nicht immer wohlgesonnen. Im September 2008 nahm ihn ein Stamm freundlich auf. Über Funk wollten sie das nächste Dorf auf seiner Route informieren und für ihn eine Erlaubnis einholen, ihr Gebiet zu durchqueren. „Die Antwort kam kristallklar zurück. Wenn der Gringo in ihre Siedlung komme, werde er getötet“, schrieb Stafford damals in seinem Blog.

Ed Stafford und Gadiel Sanchez Rivera

AP/Renato Chalu

Nach 860 Tagen am Ziel

Von Stamm gefangen genommen

Er versuchte zwar, das Dorf zu umgehen, wurde dabei aber von einem anderen Stamm gefangen genommen und den Stammesoberhäuptern vorgeführt. Stafford und Rivera mussten sich nackt ausziehen, und ihr Gepäck wurde auf das Genaueste unter die Lupe genommen. Am Ende wurde nur eine Machete von den Indianern konfisziert. Erst nachdem sie mehrmals erklärt hatten, was sie eigentlich machten, gewannen sie die Zuneigung der Indianer. Sie erlaubten ihnen, über ihr Land weiterzuwandern. Allerdings mussten sie einige Führer aus dem Dorf anheuern.

„Die Mächtigen profitieren von der Ausbeutung“

Auf seiner Reise habe er ein besseres Verständnis für die Rolle gewonnen, die der Amazonas für das Weltklima spiele, sagte Stafford. Etwa wie das Amazonas-Gebiet dem Treibhauseffekt entgegenwirkt und welche komplizierten Mechanismen zu seiner Zerstörung beitragen. „Die mächtigen Leute profitieren von der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen“, sagte er. „Deshalb gibt es korrupte Politiker und deshalb werden die Gesetze nicht eingehalten. Deshalb wird so viel Regenwald ungehindert abgeholzt.“

Staffords hat bereits das nächste Projekt vor Augen. Im September 2011 will er auf die nächste Expedition gehen und etwas unternehmen, was noch kein Mensch vor ihm geschafft hat. Was das sein wird, will er noch nicht verraten, damit ihm niemand zuvorkommt. Bis dahin will er sich erst einmal ausruhen.

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