Moskauer flüchten ins Ausland
Russland kämpft weiter verzweifelt gegen die Flammen: Bei den verheerenden Wald- und Moorbrände verdreifachte sich im Großraum Moskau die brennende Fläche seit Freitag auf 210 Hektar, wie das Katastrophenschutzministerium am Sonntag mitteilte. Viele Moskauer retten sich vor dem gefährlichen Smog ins Ausland.
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Über der Hauptstadt Moskau liegt seit Tagen eine dichte Rauchdecke, die zusammen mit der extremen Hitze das Leben unerträglich macht. Die Schadstoffbelastung in der Metropole mit ihren 10,5 Millionen Einwohnern lag das Sechsfache über den zulässigen Werten.
In Moskau sterben derzeit doppelt so viele Menschen als sonst - nämlich täglich etwa 700. Das sagte der Chef der Moskauer Gesundheitsbehörde, Andrej Selzowski, am Montag der Agentur Interfax. Normalerweise liege die Zahl bei 360 bis 380 Toten pro Tag.
Der von den Bränden herrührende beißende Qualm bahnte sich mittlerweile seinen Weg in U-Bahn-Schächte. Meteorologen zufolge wird die Stadt noch bis Mittwoch unter einer dicken Rauchwolke versinken. Die Behörden riefen die Bevölkerung auf, die Häuser möglichst nicht zu verlassen. Nach Angaben von Meteorologen ist vor Mittwoch nicht mit einer Verbesserung zu rechnen.

APA/EPA/Maxim Shipenkov
„Keiner sagt, wie schädlich dieser Dreck ist“
„Es ist entsetzlich. Keiner sagt, wie schädlich dieser Dreck für die Gesundheit ist, weil die wohl Panik verhindern wollen. Aber ich bleibe nur noch zu Hause, die Fenster sind zu“, sagte ein 28-jähriger Moskauer. Nur noch wenige wagen sich ohne Mundschutz aus dem Haus. Besonders Kinder leiden immer stärker. Besorgte Mütter stehen bei Ärzten Schlange, weil ihre Töchter und Söhne schwere Hautausschläge und Reizhusten bekommen.
Pauschalreisen ausverkauft
Vielen Einwohnern der Hauptstadt wurden der Smog und die Hitze unterdessen zu viel und sie flüchteten ins Ausland. Pauschalreisen an beliebte Ziele wie Ägypten, Montenegro und in die Türkei seien ausverkauft, teilte der russische Reiseveranstalterverband am Sonntag mit. Am Wochenende habe es keine Plätze für Flugreisen in Ferienziele gegeben, sagte Irina Turina vom russischen Reiseveranstalterverband dem Radiosender Moskauer Echo. „Der Rauch hat den Wunsch der Moskauer geweckt, die Stadt zu verlassen.“
In die Hauptstadt zurückkehren musste Oberbürgermeister Juri Luschkow, dem die Moskauer übelnehmen, dass er lange lieber im Urlaub blieb, anstatt sich um die Brandkrise zu kümmern. Luschkow hatte seine bisherige Abwesenheit mit der Behandlung einer „Sportverletzung“ an einem unbekannten Ort gerechtfertigt. Das brachte ihm bissige Kommentare in der Moskauer Presse ein. Er habe seine Behandlung nun unterbrochen und kehre nach Moskau zurück, teilten seine Mitarbeiter am Sonntag mit.
Zahl von Brandopfern rapide gestiegen
Nach offiziellen Angaben kamen bisher mindestens 52 Menschen ums Leben. Berichte von Ärzten zeigen jedoch, dass die wahre Opferzahl weit darüber liegen dürfte. Ein Moskauer Krankenhausarzt berichtete im Internet, die Zahl der an Herzschlag und Atemwegserkrankungen gestorbenen Menschen sei rapide gestiegen. „Die Kühlboxen (für die Leichen, Anm.) sind voll.“ Allerdings seien die Mediziner - wie zu Sowjetzeiten üblich - angewiesen worden, die Todesursachen zu verschweigen.
„Dürfen Diagnose nicht nennen“
„Wir dürfen die Diagnose nicht nennen. Wir wollen nicht entlassen werden, weil wir Familien zu ernähren haben“, schrieb der anonym gebliebene Arzt auf einer Website. Ein anderer Arzt, der seinen Namen ebenfalls nicht genannt wissen will, berichtete von ähnlichen Vorgaben. Die Stadtverwaltung lehnte eine Stellungnahme zu den Vorwürfen ab.
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