Schlimmste Luftverschmutzung bisher
Nach kurzer Entspannung hat am Freitag wieder dichter Smog die russische Hauptstadt Moskau eingehüllt. Die Sichtweite betrug stellenweise nur wenige Meter. Flüge mussten abgesagt werden, das Gesundheitsministerium rief die Bürger auf, Fenster und Türen zu verhängen. Temperaturen bis zu 40 Grad machten die Situation noch bedrohlicher.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
In Moskau wächst die Angst vor schweren gesundheitlichen Problemen durch den dichten Rauch, der sich von den seit Wochen brennenden Waldbränden bis in die Hauptstadt verlagert hat. Nach Angaben der Behörden erhöhte sich nach einer kurzen Entspannung wieder die Konzentration giftiger Stoffe in der Luft.

AP/Misha Japaridze
Touristen schützen sich mit Atemmasken.
„Maske hilft nicht“
„Der Smog hat die gesamte Stadt erfasst, die Lage wird immer schlimmer“, sagte Alexej Popikow vom Moskauer Umweltkontrolldienst, Mosekomonitoring, im Fernsehen. Zahlreiche Moskauer tragen Schutzmasken oder halten sich Taschentücher vor ihr Gesicht. „Es brennt in den Augen“, sagte die Studentin Valerija Kulewa gegenüber der Nachrichtenagentur AP. „Ich trage eine Maske, aber die hilft nicht.“ Das Gesundheitsministerium riet allen Russen, zudem feuchte Tücher vor Fenster und Türen zu hängen und sich mehrmals am Tag zu duschen.
Stärkste Luftverschmutzung bisher
„Seit Donnerstag beobachten wir ein steigendes Niveau der Luftverschmutzung“, sagte ein Vertreter der Abteilung für Umweltschutz in Moskau laut der Nachrichtenagentur Interfax. Laut Mosekomonitoring lag die Konzentration giftiger Partikel in der Luft weit über dem Normalmaß. Die Sichtweite betrug weniger als 400 Meter. Der dichte Rauch drang auch in Wohnungen und Büros ein, bei vielen Bewohnern der russischen Hauptstadt löste er Hustenreiz aus. Die Messungen für Luftschadstoffe wie Kohlenmonoxid lagen viermal so hoch wie üblich, es war damit die stärkste bisher verzeichnete Luftverschmutzung in Moskau.
Auf den Flughäfen Domodedowo und Wnukowo war der Betrieb nur eingeschränkt möglich. Ein Feriencamp mit 300 Kindern sowie das größte Tierheim der Stadt wurden evakuiert. Deutschland schloss am Freitag die Botschaft, um das Personal vor der Luftverschmutzung zu schützen. In Moskau wurden für den Tag erneut Temperaturen um die 40 Grad erwartet.
Bis zu 5.000 Tote mehr
Der giftige Rauch und die Hitzewelle lassen die Sterberate in Moskau regelrecht explodieren: Nach Angaben des Einwohnermeldeamts starben im Juli fast 5.000 Hauptstädter mehr als im gleichen Vorjahresmonat. Das entspreche einem Anstieg von 50 Prozent, sagte die Vertreterin des Einwohnermeldeamts, Jewgenja Smirnowa. „Die Hitzewelle hat dabei sicherlich einen Einfluss.“ Die Rekordhitze bringt insbesondere ältere Menschen in Lebensgefahr.
Unterdessen hat das Außenministerium in Wien Reisehinweise für Österreicher veröffentlicht, die sich in den Krisenregionen aufhalten. Diesen wurde empfohlen, diese Gebiete zu verlassen. Auch wurde davon abgeraten, in die Brandregionen zu reisen.

APA/EPA/Igor Kharitonov
Mehr als 500 Waldbrände
588 Brände lodern immer noch in Russland. Die Zahl der Feuertoten stieg auf über 52, 471 Menschen mussten medizinisch betreut werden. Die Behörden hoffen auf freiwillige Helfer. Die 10.000 Feuerwehrleute konnten bisher gegen die Flammen wenig ausrichten.
Sorge vor radioaktiven Partikeln
Sorge bereite aber nach wie vor die Situation in der Region von Moskau sowie in der Nähe der Stadt Sarow mit dem Atomwaffen-Forschungszentrum, sagte der Leiter des Krisenzentrums, Wladimir Stepanow. Dort waren bis Donnerstag vorsorglich alle radioaktiven und explosiven Materialien geräumt worden. Wegen der Gefahr durch die Waldbrände ordnete das russische Militär zudem die Evakuierung von Depots in der Region Moskau an. Nach Augenzeugenberichten breiten sich die Flammen wegen starken Windes oft rasend schnell aus.
Angesichts der Waldbrände befürchten die Behörden nun auch, dass in Gebieten, die bei der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 verstrahlt wurden, radioaktive Stoffe freigesetzt werden könnten. Das Katastrophenschutzministerium verstärkte deshalb seine Bemühungen, die Brände in der Region Brjansk unter Kontrolle zu bekommen. Es befürchtet, dass durch den Rauch radioaktive Partikel aufsteigen und dadurch weitere Gebiete verstrahlt werden könnten.
Schäden größer als bekanntgegeben
Hilfsorganisationen und Beobachter gehen davon aus, dass die Opferzahl und die Schäden größer sind, als bisher von den Behörden bekanntgegeben wurde. Medien berichten von massiven Zerstörungen in der Provinz. Die Armee räumte am Freitag ein, dass ein zweiter Stützpunkt von den Flammen zerstört wurde. Bereits Ende Juli sei der Logistikstandort der Fallschirmjäger in der Gegend von Moskau ausgebrannt. Zuvor war die Zerstörung eines Marinenachschubzentrums in Kolomna südöstlich der Hauptstadt bekanntgeworden.
Links: