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Wissenschaftler sind optimistisch

Seit der Klimawandel weltweit ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt ist, sind die Malediven aus einem besonderen Grund Ziel von Touristen geworden: Die Urlauber wollen das Inselparadies noch erleben, bevor es vom Meer verschlungen wird. Doch eine neue Studie gibt Anlass zur Hoffnung.

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Wissenschaftler warnen seit langem davor, dass der Archipel aus fast 1.200 Inseln im Indischen Ozean in den kommenden Jahrzehnten wegen des steigenden Wasserspiegels untergehen wird. Präsident Mohamed Nasheed ist so überzeugt davon, dass er bereits die Umsiedlung der 350.000 Einwohner in andere Länder vorgeschlagen hat. Die Inseln liegen im Schnitt nur 2,1 Meter über dem Meeresspiegel, die Malediven sind damit der weltweit am niedrigsten gelegene Staat.

Die meisten Experten sind sich einig, dass das Land Grund zur Sorge hat. Im schlimmsten Fall steigt der Meeresspiegel schneller und höher als erwartet, dann werden die Inseln tatsächlich vom Wasser verschlungen. Doch jüngste Forschungsdaten geben Anlass zur Hoffnung. Einige Wissenschaftler sind vorsichtig optimistisch, dass der Archipel noch im nächsten Jahrhundert weitgehend intakt sein wird.

„Aussichten nicht düster“

„Die Aussichten für die Malediven sind überhaupt nicht düster“, sagt Paul Kench von der Universität Auckland in Neuseeland. „Die Inseln werden nicht mehr dieselben sein, aber sie werden immer noch da sein.“ Seine Studien zeigten, dass sich die Malediven an die Umweltveränderungen anpassen könnten, an steigende Meeresspiegel und höhere Temperaturen etwa. Sie könnten beispielsweise die Riffe besiedeln und in die Höhe bauen.

Entsprechende Forschungsarbeiten Kenchs sowie anderer Forscher aus Australien, Neuseeland und den Malediven wurden in den vergangenen Jahren in Fachzeitschriften wie „Geology“ und „Journal of Geophysical Research“ veröffentlicht. „Das ist ziemlich überzeugende Arbeit und scheint von der Wissenschaftsgemeinde weitgehend akzeptiert zu werden“, sagt Andrew Cooper, Professor für Küstenstudien an der Ulster-Universität in Nordirland. „Die Frage, ob die Malediven vollständig ausgelöscht werden, ist vielleicht übertrieben.“

Anpassung als Ausweg

Nach dem verheerenden Tsunami 2004 in Asien nahmen viele Forscher an, dass die Malediven Schaden davongetragen haben. Doch Kench und seine Kollegen fanden nicht nur wenige Hinweise für Erosion - der Tsunami hatte tatsächlich Sediment angespült, wodurch einige Inseln hinterher höher waren als vor der Katastrophe. Kench warnt allerdings, dass sich einige Inseln nicht an den steigenden Meeresspiegel anpassen könnten - ausgerechnet die, auf denen die meisten Menschen leben: Male mit der Hauptstadt und Hulule. Ihre Bewohner müssten wahrscheinlich umsiedeln.

Mehr in die Höhe oder auf höheren Grund zu bauen, das sind Beispiele für den Trend im Umgang mit dem Klimawandel: Anpassung. Den unausweichlichen Folgen der Erderwärmung müsse mit vorausschauender Planung begegnet werden, sagen die Anpassungsbefürworter. Das beinhalte die Umsiedlung von Menschen, den Bau von Strandmauern und die Entwicklung neuer Konstruktionstechniken.

Meeresspiegel unerwartet gesunken

Der Meeresspiegel steigt weltweit seit längerem, außer in einigen wenigen Gebieten - darunter die Malediven. Daten deuten darauf hin, dass der Meeresspiegel um die Malediven in den vergangenen 50 Jahren sogar um bis zu 30 Zentimeter gesunken ist. „Das war definitiv unerwartet“, sagt Jonathan Overpeck, Direktor des Instituts für die Erforschung des Planeten Erde an der Universität Arizona. Verantwortlich seien vermutlich lokale Faktoren wie Strömungen und die Meerestemperatur.

Doch lassen die Daten keine eindeutigen Schlüsse zu, und der Indische Ozean ist noch immer eines der Meere, die der Forschung am meisten Rätsel aufgeben. Jianjun Yin, Forschungsassistent an der Staatsuniversität von Florida, sagt, dass erhöhte Verdunstung im Indischen Ozean für das Sinken des Meeresspiegels verantwortlich sein könnte. Dabei könne es sich aber um einen vorübergehenden Trend handeln. „Ich glaube nicht, dass die Malediven in ein paar Jahrzehnten verschwinden werden, aber in hundert Jahren wird die Lage vielleicht sehr ernst.“

Korallen bilden natürliche Barriere

Andere Wissenschaftler vermuten, dass Korallenriffe zur Rettung der Inseln beitragen könnten. Unter normalen Bedingungen können Riffe einige Zentimeter pro Jahr wachsen und so mit einem Anstieg des Meeresspiegels Schritt halten. Sie bilden eine natürliche Barriere, die die Inseln vor Erosion schützt. Doch ein Anstieg der Temperatur und des Wasserspiegels könnte das Wachstum der empfindlichen Korallen bremsen.

Eine von vielen Fragen sei, ob das Korallenwachstum ausreiche, um den Anstieg des Meeresspiegels auszugleichen, sagt Professor Cooper. Viele Forscher gehen von einem Anstieg um etwa 90 Zentimeter bis 2100 aus. Doch da niemand weiß, wie schnell die Gletscher in Grönland und in der Antarktis tatsächlich schmelzen werden, ist diese Zahl nur eine ungenaue Schätzung.

Und obwohl diese Ungewissheit eine gute Nachricht für die Malediven sein mag, drängen die meisten Wissenschaftler den Inselstaat dazu, einen Krisenplan auszuarbeiten. „Wir wissen einfach nicht genug, um so oder so sicher sein zu können“, sagt Institutsdirektor Overpeck. „Und wenn man in diesem Fall einen Fehler macht, verliert man eine Insel. Man verliert eine Nation.“

Maria Cheng, dpa

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