Veranstalter im Zentrum der Kritik
Die Schuldzuweisungen nach den tragischen Vorfällen auf der Loveparade in Duisburg gehen weiter. Im Zentrum der Kritik stehen im Moment der Veranstalter der Parade, Rainer Schaller, und seine Lopavent. Schaller soll sich mehrmals über Bedenken der Behörden hinweggesetzt haben.
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Nach der Loveparade-Katastrophe in Duisburg ist die Zahl der Todesopfer auf 21 gestiegen. In der Nacht zum Mittwoch starb eine 25 Jahre alte Frau aus Heiligenhaus bei Essen im Krankenhaus. Das sagte der Duisburger Staatsanwalt Rolf Haferkamp.
Vorläufiger Bericht des Innenministers
Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) sieht viel Verantwortung für das Unglück beim Veranstalter. Jäger stellte am Mittwoch einen vorläufigen Bericht der Duisburger Polizei zum Loveparade-Unglück vor, bei dem 21 Menschen starben und mehr als 500 verletzt wurden.
„Ich selbst bin Duisburger“, sagte Jäger in Düsseldorf. Er habe die schlimmen Erlebnisse mit Freunden und Bekannten miterlebt. Er fühle mit den Angehörigen und Freunden der Opfer.
Zugleich finde er es „unerträglich“, wenn Verantwortung auf Seiten der Stadt oder des Veranstalters abgeschoben werde.
Verhängnisvoller Stau im Tunnel
Nach Angaben des Polizeiinspekteurs Dieter Wehe, der ebenfalls auf der Pressekonferenz sprach, bildete sich im einzigen Zugang zum Festgelände - einem Tunnel - ein Stau. Es seien immer mehr Menschen in dieses Nadelöhr geströmt. Als die Lage kritisch wurde, seien die Ordner des Veranstalters angewiesen worden, die Zugänge vor dem Tunnel zu schließen. Dies sei jedoch nicht geschehen.
Gleichzeitig sei der Weg aus dem Tunnel hinaus auf das Festgelände blockiert gewesen, da dort eine Menschenmenge den Weg aus dem Tunnel nicht frei machte. Nach dem Sicherheitskonzept der Veranstalter hätten aber Ordner - sogenannte Pusher - die Menschen dazu bringen sollen, auf die Freifläche zu gehen.

AP/Henning Kaiser
Veranstalter Rainer Schaller wird vom Polizeibericht schwer belastet.
Veranstalter rief Polizei um Hilfe
Als die Situation außer Kontrolle geriet, habe der Veranstalter die Polizei zu Hilfe gerufen, betonte Wehe. Zu dieser Zeit sei der Druck der Massen im Bereich des Übergangs vom Tunnel auf eine Rampe zum Festgelände unerträglich geworden. Viele Menschen hätten über eine Treppe am Tunnelausgang zu fliehen versucht. „Ausschließlich am Fuß der Treppe erhöhte sich der Druck so stark, dass es zu den Todesopfern kam.“ Diese seien nach derzeitigen Erkenntnissen in der Menschenmenge erstickt, erklärte Wehe, dem dabei die Stimme versagte.
„Verantwortung trägt allein der Veranstalter“
Innenminister Jäger betonte, die Verantwortung für die Geschehnisse auf dem Festgelände und damit für die Todesopfer trage allein der Veranstalter. Dies verhalte sich ähnlich wie die Aufsicht in Stadien bei Fußballspielen. Die Verantwortung für die Genehmigung der Loveparade habe die Stadt.
Wehe wies darauf hin, dass der Veranstalter und die Stadt von der Polizei im Vorfeld auf Sicherheitsbedenken im Bereich des Tunnels hingewiesen worden seien.
Berichte im Vorfeld
Die „Süddeutsche Zeitung“ hatte schon im Vorfeld der Pressekonferenz berichtet, dass das nordrhein-westfälische Innenministerium den Veranstaltern um Fitnessunternehmer Schaller große Verantwortung für das Unglück zuweist. Schaller, Betreiber einer Fitness-Studio-Kette, ist Gründer und Geschäftsführer der Lopavent, die das Raver-Fest am Samstag organisiert hatte.
Schaller: Staatsanwaltschaft muss Vorwürfe prüfen
Schaller hat auf die Vorwürfe zurückhaltend reagiert. Diese müssten nun sehr genau geprüft werden, teilte er der Nachrichtenagentur dpa mit. Die Darstellung von Jäger werfe „viele Fragen auf“. Inwieweit auch das Verhalten der Polizei die Situation mitverursacht habe, „wird die Staatsanwaltschaft herausfinden“, so Schaller. Diese sei im Besitz des vollständigen Videomaterials der sechs Kameras im Tunnel-und Eingangsbereich.
Schaller hatte bisher betont, alle Auflagen der Behörden erfüllt zu haben. Er selbst will Fehler der Polizei bei der Kontrolle der Menschenmassen an den Zugängen ausgemacht haben.
Zur Todesursache des 21. Opfers machte Staatsanwalt Haferkamp zunächst keine Angaben. Inzwischen sind 13 Frauen und acht Männer nach der Katastrophe tot. Sie waren zwischen 18 und 38 Jahre alt. Mehr als 500 Menschen wurden verletzt.
Schwerstes Unglück in NRW seit 40 Jahren
Die Massenpanik ist das schwerste Unglück in Nordrhein-Westfalen seit fast 40 Jahren. Am 27. Mai 1971 starben 46 Menschen in Radevormwald im Bergischen Land bei einem schweren Eisenbahnunfall.
Am Dienstag hatte die Duisburger Staatsanwaltschaft berichtet, dass die bis dahin 20 Todesopfer durch Brustquetschungen ums Leben kamen. Sie seien erstickt. „Anhaltspunkte für Stürze aus großer Höhe als Todesursache haben sich nicht finden lassen“, teilte die Behörde mit.
Druck auf Oberbürgermeister wächst
Auf Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland wächst weiterhin der Druck. Der CDU-Politiker will einem Zeitungsbericht zufolge nicht an der geplanten Trauerfeier am Samstag teilnehmen. Sauerland wolle „die Gefühle der Angehörigen nicht verletzen und mit seiner Anwesenheit nicht provozieren“, sagte ein Sprecher der Duisburger Stadtverwaltung der „Rheinischen Post“. Die Stadt bestätigte diese Angaben.
Die Zeitung zitierte zudem Polizeikreise, dass auch Sicherheitsbedenken zu der Absage geführt hätten. Es seien Morddrohungen gegen Sauerland ausgesprochen worden. Sauerland steht im Zentrum heftiger Kritik, da Duisburg die Loveparade unbedingt in der Stadt haben wollte und das Riesenfest genehmigte.
Kraft verspricht Maßnahmen
Unterdessen werden die Rufe nach Konsequenzen für künftige Großveranstaltungen lauter. So will das Land Nordrhein-Westfalen neue bundeseinheitliche Regelungen für solche Events erreichen. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) kündigte am Dienstag in Düsseldorf an, sie wolle sich bundesweit für einen besseren Umgang mit Großveranstaltungen einsetzen.
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