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„Aussage gegen Aussage“

Der Wettermoderator des deutschen TV-Senders ARD, Jörg Kachelmann, wird aus der Untersuchungshaft entlassen. Das Oberlandesgericht im deutschen Karlsruhe hob am Donnerstag den Haftbefehl gegen ihn auf. Der 52-jährige Schweizer saß seit dem 20. März wegen Verdachts auf Vergewaltigung einer Ex-Freundin in Haft.

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Der dritte Strafsenat des Oberlandesgerichts entschied, dass „im derzeitigen Stadium des Verfahrens kein dringender Tatverdacht mehr bestehe“. Für das Gericht liegt angesichts eines „bestreitenden Angeklagten“ und der Nebenklägerin als einziger Belastungszeugin die Fallkonstellation der „Aussage gegen Aussage“ vor. Bei dem mutmaßlichen Opfer könnten „Bestrafungs- und Falschbelastungsmotive“ nicht ausgeschlossen werden, hieß es vom Gericht.

Jörg Kachelmann bei Entlassung

AP/Michael Latz

Jörg Kachelmann bei seiner Freilassung

Gezerre um Freilassung

Die Verteidigung hatte zuvor von einer falschen Beschuldigung gesprochen und Haftbeschwerde eingelegt. Diese richtete sich gegen den Beschluss des Landgerichts Mannheim vom 1. Juli, mit dem der Antrag auf Aufhebung des Haftbefehls zurückgewiesen wurde. Die Fünfte Große Strafkammer hatte die Aussagen der Ex-Freundin Kachelmanns als glaubwürdig bezeichnet. Die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe hatte beantragt, die Haftbeschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

Anwalt: Wir freuen uns

Die ARD lässt den Moderator nach seiner Freilassung aus dem Gefängnis noch nicht vor die Kamera. „Wir warten das schwebende Verfahren ab“, sagte ein Sprecher der ARD-Programmdirektion am Donnerstag in München. „Durch die Aufhebung des Haftbefehls ist für uns keine neue Ausgangslage entstanden.“

Kachelmanns Anwalt Reinhard Birkenstock begrüßte die Freilassung. „Wir freuen uns alle jetzt“, sagte der Jurist am Donnerstag verschiedenen Nachrichtensendern. „Ich bin nicht dazu da, Vorwürfe zu machen. Ich bin Strafverteidiger, mein Beruf ist es, ungerecht einsitzende Gefangene aus der Untersuchungshaft zu holen, und das ist uns heute Gott sei Dank gelungen“, sagte Birkenstock. Man bereite sich jetzt konzentriert weiter auf die Hauptverhandlung vor. „Und was wir da vorhaben und tun, das werden wir dann, wenn die Hauptverhandlung beginnt, umsetzen.“

Entspannt und lächelnd

Wenige Stunden nach der OLG-Anordnung schritt Kachelmann am frühen Nachmittag durch die Gefängnistür in Mannheim. Der in ein langärmeliges weißes T-Shirt gekleidete ARD-Moderator wirkte entspannt und lächelte, gab aber keine Erklärung ab. Begleitet wurde Kachelmann von Birkenstock, der das OLG für seine Entscheidung lobte: „Mit dem Beschluss ist die Unschuldsvermutung wieder auferstanden in diesem Verfahren, und die Rechtsstaatlichkeit ist zurückgekehrt.“ Kachelmann und sein Anwalt fuhren dann im Auto davon.

Schwere Vorwürfe

Kachelmann muss sich nun ab 6. September vor dem Landgericht im deutschen Mannheim wegen schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung verantworten. Das Gericht setzte insgesamt 15 Verhandlungstage bis zum 27. Oktober an und ließ die Anklage der Staatsanwaltschaft in vollem Umfang zu. Danach soll Kachelmann in der Nacht auf den 9. Februar 2010 seine 37 Jahre alte Ex-Freundin in ihrer Schwetzinger Wohnung vergewaltigt und mit einem Messer am Hals verletzt haben.

Dabei soll er die Frau mit dem Tod bedroht haben. Die Ermittler stützen sich bei ihrer Anklage auf rechtsmedizinische Analysen - es wurden DNA-Spuren Kachelmanns und der Frau an dem Messer gefunden - sowie psychologische Gutachten zur Glaubhaftigkeit der Aussagen.

Widersprüchliche Angaben zu Gutachten

Über die Schlussfolgerungen der Gutachten herrscht Unklarheit. In verschiedenen Medienberichten von Anfang Juli hieß es, dass die Aussagen des mutmaßlichen Opfers im Gutachten einer Psychologin für unglaubwürdig erklärt würden. Anderen Medien berichteten, die Ergebnisse der Expertise seien nicht so eindeutig. Kachelmanns Anwalt Birkenstock hatte daraufhin in einer Pressemitteilung erklärt, die Verteidigung habe „dringenden Anlass zu der Befürchtung, die Mannheimer Justiz schütze durch die Aufrechterhaltung des Haftbefehls gegen Herrn Kachelmann die Täterin einer Falschbeschuldigung“.

Bis zu 15 Jahre Haft drohen

Das Landgericht Mannheim hatte dagegen jüngst erklärt, es halte die Angaben der Ex-Freundin, die Kachelmann schwer belastet hatte, für glaubwürdig. Ihre Aussagen würden durch die Gutachten gestützt. Die Aussagen Kachelmanns wirkten dagegen wenig plausibel, erklärten die Richter. Kachelmann war im März auf dem Rückweg von den Olympischen Spielen in Vancouver auf dem Frankfurter Flughafen verhaftet worden. Bei einer Verurteilung drohen Kachelmann bis zu 15 Jahre Haft.

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