Themenüberblick

„Beziehung zu Russland am Tiefpunkt“

Knapp zwei Jahre nach dem Fünf-Tage-Krieg im Südkaukasus bleiben die Fronten zwischen Russland und Georgien weiter verhärtet. Auch die inzwischen zwölfte Gesprächsrunde von Diplomaten beider Seiten nach dem Konflikt im August 2008 brachte am Dienstag in Genf keine wesentliche Annäherung.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Strittig seien vor allem Details eines neuen Abkommens zum gegenseitigen Gewaltverzicht, sagte EU-Verhandlungsführer Pierre Morel nach dem Abschluss der Beratungen: „Man kann noch eine große Lücke sehen.“ Morel mahnte die ehemaligen Kriegsgegner zu mehr Kompromissbereitschaft. Es handle sich um einen „mühsamen Prozess“, in dem endlich konkrete Schritte folgen müssten.

EU optimistischer als Georgien

Morel betonte, dass es auch bei den Wohn- und Eigentumsrechten von Vertriebenen viele offene Fragen gebe. Die „nüchterne Atmosphäre“ des jüngsten Treffens gibt aus seiner Sicht jedoch Anlass zur Hoffnung. Der UNO-Sonderbeauftragte für Georgien, Antti Turunen, warnte die Teilnehmer davor, die Kontakte abzubrechen: „Viel Geduld ist nötig, weil wir uns jetzt um die wirklich sensiblen Fragen kümmern müssen.“

Der georgische Vizeaußenminister Giorgi Bokeria warf Moskau Verweigerungshaltung bei den Gesprächen um die Zukunft der von Tiflis abtrünnigen Gebiete Abchasien und Südossetien vor. Der Kreml lehne es ab, die Bewegungsfreiheit der Menschen in den Regionen zu sichern. Zudem habe es unbegründete Festnahmen georgischer Bürger durch russische Truppen gegeben. „Moskau versucht, den Prozess der Verhandlungen zu untergraben“, kritisierte Bokeria. Die Tatsache, dass sein Amtskollege Grigori Karassin entgegen anders lautender Ankündigungen nicht zu dem Treffen in der Genfer UNO-Niederlassung gekommen sei, zeige dessen „zynische, alarmierende“ Haltung.

Nächste Gesprächsrunde im August

Auch der georgische Vizepremier Giorgi Baramidse sah in einem Gespräch mit der APA vergangene Woche die Beziehungen zu Russland am Tiefpunkt. Die Beziehungen Georgiens zu Russland „könnten schlechter nicht sein“, da Russland 20 Prozent des georgischen Territoriums okkupiere, sagte Baramidse.

Russland verstärke seine Streitkräfte in den beiden von Georgien abtrünnigen Regionen Abchasien und Südossetien, halte das Wirtschaftsembargo gegen sein Land aufrecht und verletzte die Menschenrechte der in den Gebieten lebenden Bevölkerung. Der georgische Vizepremier will dennoch die Genfer Gespräche mit Moskau unter internationaler Vermittlung fortführen. Die nächste Gesprächsrunde soll im August stattfinden.

„Komplettes Chaos“ in Abchasien und Südossetien

Ziel Georgiens sei die Beilegung des Konflikts mit Russland und die Ermöglichung der Rückkehr der Flüchtlinge. Georgien versuche, die Beziehung zu Russland zu „normalisieren“, vorausgesetzt, von Russland kämen ebenfalls „positive Schritte“.

Die Situation in Abchasien und Südossetien sei „entsetzlich“. Tagtäglich gebe es „grobe Verletzungen der Menschenrechte“. Menschen würden „ermordet, entführt und vergewaltigt“. Es herrsche „komplettes Chaos“, viele Dörfer seien komplett zerstört worden. Bedauerlich sei, dass Russland keine EU-Beobachter in die abtrünnigen Regionen lasse, da es laut dem Vizepremier nicht wolle, dass die internationale Gemeinschaft über die Situation Bescheid wisse.

In Russland war auch im Zusammenhang mit den anhaltenden Spannungen im Südkaukasus der Spruch des Internationalen Gerichtshofs über die Unabhängigkeit des Kosovo in der vergangenen Woche auf heftige Kritik gestoßen. Nach Ansicht des Vizechefs des Auswärtigen Ausschusses der Staatsduma, Leonid Kalaschnikow, weigert sich die internationale Gemeinschaft dagegen immer noch, Abchasien und Südossetien anzuerkennen.

Links: