Gutachten überraschend deutlich
Wenige Monate nachdem sich das Kosovo im Februar 2008 für unabhängig erklärte hatte, ersuchte Serbien den Internationalen Gerichtshof (IGH), die Unabhängigkeit des Kosovos zu untersuchen. Dieser Wunsch ging nach hinten los. Knapp zwei Jahre später stärkten die Richter des UNO-Gerichts dem Kosovo den Rücken.
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Der IGH bezeichnete die Loslösung des Kosovos von Serbien als rechtmäßig und mit dem Völkerrecht vereinbar. Kosovos Unabhängigkeit habe weder Bestimmungen des Völkerrechts verletzt, noch gegen Resolutionen des UNO-Sicherheitsrates verstoßen, erklärte IGH-Präsident Hisashi Owada. Das internationale Recht kenne kein Verbot von Unabhängigkeitserklärungen. Diese Deutlichkeit ist überraschend.
Beobachter waren zuvor von einem zweideutigen Spruch ausgegangen, den sowohl Serbien als auch das Kosovo für sich reklamieren hätten können. Das am Donnerstag veröffentlichte Rechtsgutachten ist nicht bindend. Die mit zehn zu vier Stimmen getroffene Entscheidung wird dennoch als politische Niederlage Serbiens gewertet.
Die Kosovaren feiern selbstverständlich. Sie sehen sich durch das internationale Gutachten bestätigt. Die IGH-Entscheidung sei „weise“, erklärte Staatspräsident Fatmir Sejdiu. „Serbien hat vom IGH seine Antwort erhalten und sollte unsere Unabhängigkeit anerkennen.“
„Unabhängigkeit niemals anerkennen“
Belgrad kündigte bereits an, nichts an seiner Politik gegenüber dem Kosovo ändern zu wollen. Von Beginn an hatte Serbien intensives Lobbying gegen die Unabhängigkeit seiner ehemaligen Provinz betrieben. „Wir werden niemals die Unabhängigkeit des Kosovos anerkennen“, verkündete der serbische Außenminister Vuk Jeremic sofort. „Vor uns liegen schwere Tage.“ Der „diplomatische Kampf“ gehe weiter. Serbien wollte mit Hilfe des IGH-Urteils erneut Kosovo-Verhandlungen erzwingen.
Auch der serbische Staatspräsident Boris Tadic betonte, niemals ein unabhängiges Kosovo anerkennen zu wollen. In einem Telefonat mit Tadic forderte US-Vizepräsident Joseph Biden Belgrad „zur konstruktiven Lösung praktischer Fragen mit dem Kosovo“ auf.
Kritik aus Moskau
Die USA und die EU hatten Serbien bereits davor gewarnt. Der Versuch, eine neue Kosovo-Resolution der UNO-Vollversammlung zu erreichen, würde als Schritt zu einer Konfrontation mit Staaten führen, die Kosovos Unabhängigkeit anerkannt haben. Aus Moskau kommt nun auch Kritik wegen des Gutachtens. Russland sieht sich traditionell als Schutzmacht der Serben. Der Richterspruch sei „juristisch nicht sauber und rein politisch“.
Von 69 Ländern anerkannt
Das Kosovo ist von 69 Ländern als unabhängiger Staat anerkannt. Darunter die USA und 22 von 27 EU-Staaten. Weltweit betrachten aber noch immer über 120 Länder das Kosovo als serbische Provinz, darunter China, Spanien und Russland.
Dass auch China und Spanien Serbien in der Kosovo-Frage unterstützen, hat durchaus eigennützige Gründe. Sie fürchten einen Präzedenzfall für die Abspaltung von Völkerschaften in ihren eigenen Ländern wie etwa die Basken und die Tibeter.
Spanien „respektiert“ Ergebnis
Spaniens Außenminister Miguel Angel Moratinos rief die Länder dennoch zum „Dialog“ auf. Das sei der einzige Weg, um den Streit zu lösen, sagte Moratinos laut spanischen Medienberichten. Das Urteil werde von Spanien „respektiert“ und eröffne eine „neue Etappe“. Der Außenminister äußerte sich aber nicht zu der Frage, ob Spanien seine Haltung bezüglich der Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovos nun ändern werde.
Österreichs Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) versuchte zu beschwichtigen: „Das Gutachten ist kein Grund für Triumphrufe von der einen oder der anderen Seite.“ Es solle vielmehr von Belgrad und Pristina als Chance genutzt werden, ein neues Kapitel in ihren Beziehungen aufzuschlagen.
Ban fordert „konstruktiven Dialog“
Auch UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon warb für einen „konstruktiven Dialog“ zwischen den beiden Staaten. Nach der Bestätigung der Unabhängigkeitserklärung sollten beide Seiten „alle Schritte vermeiden, die als provozierend gesehen werden und die Gespräche behindern könnten“, sagte er in einer Erklärung in New York. Er werde das Rechtsgutachten als Nächstes der Generalversammlung der Vereinten Nationen (UNO) vorlegen, die die Meinung des IGH angefordert hatte und in dieser Sache weiter entscheiden werde, hieß es in der Erklärung des UNO-Chefs weiter.
EU stellt Mitgliedschaft in Aussicht
Die EU stellte nach dem Gutachten Serbien und Kosovo die Integration in die EU in Aussicht. „Die Zukunft Serbiens liegt in der Europäischen Union. Die Zukunft des Kosovos liegt ebenfalls in der Europäischen Union“, sagte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton am Donnerstag in Brüssel. In der EU gibt es allerdings Vorbehalte gegen den Beitritt Serbiens, weil sich die Gemeinschaft kein Land ins Haus holen will, das offene Grenzprobleme hat wie Serbien mit dem Kosovo.
Serbische Spitzenpolitiker hatten zuletzt klargemacht, dass sich Serbien gegen die EU entscheiden würde, wenn es vor die Wahl gestellt wird, sich mit dem fast nur noch von Albanern bewohnten Kosovo zu arrangieren. Mit einem Beitritt Serbiens wird daher in den nächsten Jahren nicht gerechnet.
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