Migration als Chance und Gefahr
Die rasante Urbanisierung in China schürt die Angst vor dem Entstehen von Slums. Der chinesische Soziologe He Xuefeng warnte bereits im Frühjahr gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua vor einem zu raschen Wachstum der urbanen Zentren.
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Das könne dazu führen, dass die Städte nicht mehr in der Lage seien, die Neuankommenden mit Unterkünften und den nötigen öffentlichen Dienstleistungen zu versorgen. He unterstützt damit offensichtlich die Position der KP-Führung, die mit allen Mitteln versucht, soziale Verwerfungen und damit mögliche politische Unruhen infolge der rasanten wirtschaftlichen Umbrüche zu verhindern.
Hukou verhindert Elendsviertel
Tatsächlich hat es China bisher geschafft, die Entstehung größerer Slums in der Peripherie von Metropolen weitgehend zu verhindern. Möglich machte das im Wesentlichen ein in den 1950er Jahren eingeführtes Registrierungsprogramm. Das Hukou-System trennt strikt zwischen Stadt- und Landbewohnern. Während Erstere generell bessere Bildung und Gesundheitsversorgung genießen, besitzt die Landbevölkerung Grund, was den Stadtbewohnern wiederum verboten ist.
Ruf nach radikaler Reform
Dieses System wird vor allem seit Beginn des rasanten wirtschaftlichen Aufschwungs in China für die immer größere Wohlstandsschere zwischen Stadt- und Landbevölkerung verantwortlich gemacht. Längst wird gefordert, das System radikal zu ändern und mehr Bauern zum dauerhaften Umzug in die Stadt zu bewegen. Das frei werdende Land könne für die Ansiedlung von Industrie oder für andere Bauern verwendet werden.
Mahnende Stimme
Doch He warnt vor möglichen negativen Folgen: Wenn Bauern massenhaft zur Übersiedlung in die Stadt bewogen werden, die Städte aber nicht die nötige Infrastruktur zur Verfügung stellen könnten, würde das die soziale Kluft nur verlagern - nämlich in die Städte.
Derzeit leben viele Bauern als Wanderarbeiter vorübergehend ebenfalls in den Städten. Sie haben aber zurzeit die Alternative, aufs Land zurückzukehren. Diese Möglichkeit fiele weg, würde das Hukou-System beendet, da sie das Land längst verloren hätten. Dazu komme, dass die meisten Landarbeiter in Fabriken arbeiten würden. Angesichts der schlechten Bezahlung könnten sie sich aber ein Leben in den - viel teureren - Städten gar nicht leisten, so He.
Unverzichtbarer Motor
Die Debatte über eine Reform des Hukou-Systems wird mit Sicherheit noch länger dauern. Eine Weltbank-Studie zur Verstädterung Chinas kam 2008 zum Schluss, dass die Migration vom Land in die Städte den Hauptmotor für das Wirtschaftswachstum darstellt. In den meisten Studien zu dem Thema werde daher für eine schrittweise Reform der Hukou-Systems plädiert: einerseits, weil die Städter um ihre Privilegien fürchten, andererseits aber, weil eine zu rasante Landflucht zur Slumbildung führen könnte.
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