Band Dakh Daughters

Festwochen / Olga Zakrevska

Die lauten Frauen vom Maidan

Sie gelten als „Spice Girls mit Molotowcocktails” – doch der Vergleich mit Pussy Riot oder den Tiger Lillies hält genauso stand. Das ukrainische Theater-, Performance- und Bandkollektiv Dakh Daughters versteht seine lauten Darbietungen als Freak-Kabarett und sorgte für die inoffizielle Hymne der Kundgebungen auf dem Maidan. Ab dem 14. Mai gastiert das Frauenkollektiv im MuseumsQuartier - ein performativ-musikalischer Schlagabtausch mit 15 Instrumenten.

Es war ein höchst eigenwilliges Schauspiel, das sich Tausenden Demonstranten Ende 2013 auf dem Maidan-Platz bot. Sieben Frauen in weiten, zotteligen Pelzmänteln, mit weiß geschminkten Gesichtern und rustikal gebundenen Kopftüchern, machten auf der Bühne unmissverständlich deutlich, dass sie die Ukraine auf politischen Abwegen sahen.

Mit sich überschlagenden Stimmen, begleitet von dramatischen Klavierläufen, die den Song „Rozy/Donbass” zu einem explosiv-perkussiven Finale hochschaukeln, entwickeln Dakh Daughters mit diesem Stück eine Energie, wie sie sonst nur Death Metal transportiert. Sie lassen dabei auch an das Brecht’sche-Punk-Kabarett der Dresden Dolls und an die Tiger Lillies denken.

Dakh Daughters Porträt der Band

Festwochen / Olga Zakrevska

Halb Porzellanpuppe, halb angriffslustiges Raubtier: Der Stil der Dakh Daughters ist ebenso exzentrisch wie ihre Musik

Hintergrund Avantgardebühne

„Rozy/Donbass” wurde zur Hymne der Protestbewegung. Videoaufnahmen eines der Auftritte im Zuge des „Euromaidan“ zeigen eine Performance, die unerschütterlich vor dem Großaufgebot an Militär und Polizei über die Bühne geht - eine gespenstisch-bedrohliche Atmosphäre. Nur wenige Wochen nach den Filmaufnahmen, im Februar 2014, nahmen die Proteste eine blutige Wende mit Dutzenden Toten.

Dakh Daughers machen all die ohnmächtige Wut spürbar, die sich in der ukrainischen Bevölkerung angestaut hat: Das siebenköpfige Kollektiv stammt aus dem Umfeld des Kiewer Dakh-Theaters – eine der wichtigsten Avantgardebühnen der Stadt. Ihr Leiter, Vladyslav Troitskiy, ist eine zentrale Figur der ukrainischen Kunstszene und der künstlerische Kopf hinter dem Kollektiv, das seit dem Jahr 2012 besteht und längst weltweit Gastspiele bestreitet.

Dakh Daughters

Festwochen / Olga Zakrevska

Von schüchtern bis dominant: Die Dakh Daughters bearbeiten bei ihren Auftritten auch trotzig die Klaviatur weiblicher Rollenbilder

Von Spice Girls bis Pussy Riot

Der britische „Guardian” sprach angesichts der explosiven Bühnenmischung von den „Spice Girls mit Molotowcocktails”. Troitskiy rückt die sieben Frauen, die während ihrer Auftritte 15 verschiedene Instrumente im Einsatz haben, angesichts des offen zur Schau gestellten Punk-Geistes lieber in die Nähe von Pussy Riot, wie er dem „Guardian“ erzählte – jedoch mit guter Musik, so der Theatermacher.

Die Vielschichtigkeit zeigt sich bei Dakh Daughters nicht nur auf der instrumentalen Seite und hinsichtlich der musikalischen Wandelfähigkeit zwischen traditionellen ukrainischen Klängen, an Bertold Brecht und Kurt Weill gemahnenden Songs und der Energie von Punk. Das Kollektiv bedient sich genauso bei Texten von Charles Bukowski und William Shakespeare. „Rozy/Doness” ist eine Bearbeitung von Shakespeares „Sonnet 35“.

Kraftvoll, experimentell und lustig

Hinweis

Mit ihrem Programm „Roses“ treten Dakh Daughters am 14., 15., 16. und 17. Mai jeweils um 20.30 Uhr in der Halle G im Wiener MuseumsQuartier auf. Im Anschluss an das Konzert am 15. Mai findet ein Publikumsgespräch statt.

Dakh Daughters sei als kreative Plattform zu verstehen, die Musik, Performance und Theater vereint, beschrieb Pianistin Tanya Havrylyuk den Ansatz im ARTE-Interview: „Es muss kraftvoll, experimentell und lustig zugleich sein. Wir nennen es Freak-Kabarett.”

Und natürlich geht es in erster Linie um provokant-politische Äußerungen, die in solch einem künstlerischen Rahmen einen außerordentlich kraftvollen Ausdruck erlangen. „Rozy/Doness” handelt von jenen Wahlberechtigten in der Ostukraine, die mit autoritärer Gewalt an der Abgabe ihrer Stimme gehindert wurden. Dakh Daughters’ Ruf nach Demokratie ist ein sehr lauter.

Kunstszene mit Anliegen

Damit ist das Kollektiv aus Kiew nicht alleine. Musik, Theater und Performance sind in der ukrainischen Hauptstadt in diesen instabilen Zeiten zum wichtigen Ausdrucksmittel geworden. Das Projekt Dakha Brakha, das ebenso aus dem Umfeld der Avantgardebühne Dakh stammt, war auf dem Maidan genauso akustischer Träger der Proteste.

Auch der Sänger der in der Ukraine berühmten Band Vopli Vidopliassova, Oleh Skrypka, versteht sich als politische Stimme, die die Sehnsucht nach Freiheit thematisiert. Kiew verfügt über eine agile Szene, die unter dem tiefen Eindruck der Konflikte der vergangenen Jahre steht. Die exzentrischen Dakh Daughters sind ihr Aushängeschild.

Johannes Luxner, ORF.at

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