Szenenbild aus der Eroberung von Mexiko

Monika Rittershaus

Die Highlights des Kultursommers 2015

Der Salzburger „Fidelio“ und die St. Margarethener „Tosca“ - das waren bei den Leserinnen und Lesern von ORF.at die Highlights des Festspielsommers 2015. Deutlich wurde gerade in diesem Jahr: Nicht immer bekamen die größten Produktionen den meisten Applaus. Das spürte man in Bregenz, wo „Hoffmanns Erzählungen“ mehr Brillanz versprühten als „Turandot“ auf der Seebühne. Und in Salzburg zog man mit einer adaptierten „Dreigroschenoper“ Mackie Messer die Zähne, überraschte dafür mit einer intensiven „Eroberung von Mexiko“ in der Felsenreitschule.

War es der Sommer der ganz großen Produktionen - oder mitunter doch einer der verstärkten Nebengeräusche? Blickt man auf das Echo, das etwa der „Internationale“-Protest gegen den Besuch von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache bei den Salzburger Festspielen brachte (samt einer Debatte, ob das denn ein statthafter Protest gewesen sei), dann lag über diesem Kultursommer doch so etwas wie die Sehnsucht nach intensiveren Debatten im kulturellen Feld.

Szenenbild aus der Eroberung von Mexiko

Barbara Gindl/APA

„Die Eroberung von Mexiko“ in der Felsenreitschule: Sah streckenweise so aus, als wäre Sadomaso in die Lindenstraße eingezogen

Zwar gab es den Einstand zweier neuer Intendanzen, in Bregenz und St. Margarethen, doch Salzburg strahlte in künstlerischer Hinsicht deutlich weniger Glamour als in den Jahren davor aus, so dass man schon fast dankbar sein musste, als sich die Festspielleitung im Vorfeld mit einer etwas rüden Vorbilanz im „profil“ duellierte. Oberhalb der Gürtellinie und des Orchestergrabens bekam Salzburg den lange angekündigten Sommer der Wiederaufnahmen, was dem Publikum deutlich gefiel, aber der Presse weniger Arbeit machte als im Vorjahr.

Stille Preziosen

„Mackie Messer“ als eine adaptierte Salzburger „Dreigroschenoper“ und der „Fidelio“ waren die mit Spannung erwarteten Highlights an der Salzach. Doch herausgestochen ist mit der Umsetzung von Wolfgang Rihms „Eroberung von Mexiko“ die zeitgenössische Oper - und mit dem Abschluss des Da-Ponte-Zyklus durch Schauspielchef Sven-Eric Bechtolf solides Handwerk im Umgang mit Mozarts „La Nozze di Figaro“.

Ergreifend und politisch wurde die Wiederaufnahme von Glucks „Iphigenie en Tauride“ von den heurigen Pfingstfestspielen, die musikalisch wie inszenatorisch überzeugte und den Bogen bis in die aktuelle Zeitpolitik spannte.

Szene aus "Clavigo" bei den Salzburger Festspielen

Salzburger Festspiele / Arno Declair

Ein „Clavigo“ mit vielen, vielleicht zu vielen Projektionen

Fragezeichen beim Theater

Im Theaterbereich musste man sich in diesem Jahr in Salzburg mit Schonkost begnügen. Der „Clavigo“ im Landestheater blieb hinter den Erwartungen zurück, und ein ausverkaufter und spektakulär im Wasser gelandeter Shakespeare macht für die Perner-Insel dann doch keinen ganz kompletten Theatersommer.

Schmerzlich vermisst wurden jedenfalls Impulse aus dem Bereich junges Theater, das mit der Einstellung des „Young Directors Project“ im Vorjahr vom Spielplan der Festspiele verschwunden ist.

Helga Rabl-Stadler und Sven-Eric Bechtolf

Barbara Gindl/APA

Zufrieden mit der Breite des Festivals: Salzburg-Direktorium Bechtolf und Rabl-Stadler

Salzburg-Direktorium zufrieden

Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler und Sven-Eric Bechtolf zogen, nicht zuletzt, was das Interesse an den Festspielen anlangte, eine mehr als zufriedene Bilanz und verwiesen auf die Breite des heurigen Festspielprogramms von der Ouverture spirituelle bis hin zum mehrteiligen Brecht-Symposium.

95 Prozent Auslastung, zwei Prozent mehr als im Vorjahr unter dem geschiedenen Intendanten Alexander Peirera, verdeutlicht für die Festspielleitung, dass der Best-of-Ansatz zumindest nicht beim Interesse eines auch zahlungswilligen Publikums vorbeigeht. Den „Trovatore“ in Starbesetzung aus dem Vorjahr könnte man wahrscheinlich auch noch die kommenden fünf Jahre mit einer Hundert-Prozent-Auslastung auf die Bühne des Großen Festspielhauses bringen.

Hausoper schlägt Seebühnenproduktion

Mit einer Auslastung von 98 Prozent war man heuer auch bei den Bregenzer Festspielen und der ersten Saison unter der Intendanz von Elisabeth Sobotka „sehr, sehr glücklich“. Bester Werbeträger des Festivals war einmal mehr die überdimensionale Seebühne, wo heuer Giacomo Puccinis „Turandot“ in der Inszenierung von Regisseur Marco Arturo Marelli gezeigt wurde. Damit, sich ausgerechnet auf eine detailreiche psychologische Deutung zu verlegen, tat er sich nicht den größten Gefallen - und so war es heuer die Hausoper, die viel mehr zu überzeugen wusste.

Statt einer Uraufführung oder Opernrarität setzte man „Hoffmanns Erzählungen“ an - und landete einen Volltreffer. Regiequerdenker Stefan Herheim zündete eine geniale Offenbach-Show mit lustvoller Energie als fantastische Rocky-Horror-Glitzer-Revue. Wiederaufgenommen wird, wie in Bregenz üblich, im nächsten Jahr die Seebühnenproduktion - Herheims „Hoffmann“ zieht, als Koproduktion, weiter - zuerst an die Oper Köln, später nach Kopenhagen.

Szene aus "Hoffmanns Erzählungen"

Bregenzer Festspiele/ Karl Forster

Fingerzeig aus dem Osten

Monumental und mit einem Fingerzeig, durchaus bis nach Bregenz hin, versuchte sich heuer St. Margarethen unter der neuen Intendantin Maren Hofmeister zu positionieren. Sängerisch rüstete man auf - und bei der „Tosca“ durfte Regisseur Robert Dornhelm bei seinem dritten Antreten im Steinbruch aus dem Vollen schöpfen: Unter einem 25 Meter hohen Engel war die Bühne vor allem ein großes illusionistisches Spektakel, das von Videos und Überblendungen auf überdimensionale LED-Wände lebte. Fiel die Premiere fast dem Unwetter zum Opfer, konnte man am Ende der Saison 95 Prozent Auslastung und einen durchgespielten Opernsommer vermelden.

Engelstatue aus der Tosca

Arenaria

Monumentaler Fingerzeig im Bühnenbild von Amra Bergman in St. Margarethen

ImPulsTanz und der Kampf um die großen Namen

Dass es nicht immer große Namen braucht, um ein Festival attraktiv zu halten, musste man heuer zwangsläufig beim Wiener ImPulstanz-Festival beweisen. Das Publikum konnte dabei überzeugende Performances sehen, wie die im Rahmen vom ImPulsTanz prämierte Auseinandersetzung der Finnin Elina Pirinnen mit Schostakowitschs „Leningrader Symphonie“.

Große Namen, die man heuer zeigen wollte, wie Jan Fabre, Anne Teresa De Keersmaeker oder Wim Vandekeybus, musste man im Frühjahr aufgrund fehlender finanzieller Mittel ausladen. „Ein zweites Mal“ halte man eine Saison wie diese nicht aus, bilanzierte Festivalleiter Karl Regensburger mehr als nüchtern. Deutlich positiv bewerten Publikum und Festivalleitung die Ausweitung der Tanzlocations, was in diesem Jahr durch Kooperationen mit dem Weltmuseum Wien, dem 21er Haus und mumok gelungen ist.

Elina Pirinen "Personal Symphonic Moment" - [8:tension]

Timo Wright

Nicht immer unter die Haut, aber auf jeden Fall bis an die Grenzen der Haut: Elina Pirinens sehr persönliche Auseinandersetzung mit Schostakowitsch beim ImPulsTanz

Die ganz großen Highlights haben in diesem Sommer jedenfalls nicht gefehlt. Mancherorts sind sie hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Allerdings fällt auf, dass das eine oder andere Festival an Breite verloren hat. Gerade in Salzburg hat der Sparkurs nach Alexander Pereira eine künstlerische Lücke ins Programm gerissen, von der man hoffen darf, dass sie im nächsten Jahr, dem letzten Interimsjahr, bevor Markus Hinterhäuser die Intendanz übernimmt, weniger deutlich zu spüren ist.

Beim Publikum ist dieser Kultursommer ein Erfolg. Viele Festivals verbuchen mehr als gute Auslastungszahlen - und auch bei ORF.at spürte man in diesem Sommer einen Zuspruch zum Kultursonderkanal wie nie. Ein bisschen mehr darf es an aufregenden Produktionen im kommenden Jahr aber auf jeden Fall sein.

Sophia Felbermair, Gerald Heidegger, ORF.at

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