Rückblick: Diagonale am Puls der Zeit
Die Politik hat in diesem Jahr besonderen Einfluss auf die Diagonale gehabt - wie sich auch Samstagabend bei der Preisverleihung im Grazer Orpheum gezeigt hat: Der Große Spielfilmpreis ging an Christian Froschs Gerichtsdrama „Murer - Anatomie eines Prozesses“, die Auszeichnung in der Dokumentarfilmsparte an Nikolaus Geyrhalter für seinen grenzkritischen Film „Die bauliche Maßnahme“ - mehr dazu in Preise für „Murer“ und "Die bauliche Maßnahme.
„Cops“ von Stefan Lukacs
Ein Anwärter der Polizeieliteeinheit WEGA erschießt bei einem Einsatz einen psychisch kranken Mann. Das traumatische Erlebnis verfolgt ihn - und wird für die ganze Truppe zur Bedrohung. In seinem bemerkenswerten Langfilmdebüt „Cops“ beschreibt der Wiener Regisseur Stefan A. Lukacs (Künstlername ISTVAN) den Alltag eins jungen Polizisten zwischen Korpsgeist, Männlichkeitsritualen und Panikattacken - mehr dazu in Guter Cop, verzweifelter Cop.
Xiaosu Han, Andreas Thalhammer
„Zerschlag mein Herz“ von Alexandra Makarova
Pepe und Marcela kommen aus der Ostslowakei, betteln in Wien, und lieben einander: „Zerschlag mein Herz“ ist das Spielfilmdebüt von Alexandra Makarova, irgendwo zwischen Roma-Milieustudie und Melodram. Und es ist der erste Film, den der Schauspieler Simon Schwarz produziert hat - mehr dazu in Romeo und Julia in der Vorstadt.
„Aufbruch“ von Ludwig Wüst
Er ist eine Ausnahmeerscheinung im österreichischen Kino: Ludwig Wüst macht Filme, die nach der Leinwand verlangen, mächtig und sinnlich und still. Nun feiert „Aufbruch“ seine Premiere in Graz, ein zarter Film über eine metaphysische Reise durchs ostösterreichische Nirgendwo - mehr dazu in Im „Alkoholikermanta“ durchs Nirgendwo.
„Waldheims Walzer“ von Ruth Beckermann
Lüge und Wahrheit, alternative Fakten und politischer Trotz: Ruth Beckermanns Kompilationsfilm „Waldheims Walzer“ widmet sich einer Politaffäre, die Österreich nachhaltig veränderte - der Bundespräsidentschaftskandidatur Kurt Waldheims im Jahr 1986, im Zuge derer seine verschwiegene NS-Vergangenheit aufgedeckt wurde - mehr dazu in Vergessen, verweigern, verleugnen.
„L’Animale“ von Katharina Mückstein
Die Sehnsucht, frei zu sein: In „L’Animale“ sucht die Maturantin Mati ihren Weg zwischen Erwartungen und Bedürfnissen. Der Film ist Katharina Mücksteins zweite Regiearbeit – und eine Liebeserklärung ans Unangepasstsein - mehr dazu in Vom Suchen und Finden des Selbst.
„Grenzland“ von Marvin Kren
Was die Diagonale im Großen ist, sind die ORF-Landkrimis im Kleinen - eine Leistungsschau des österreichischen Films. Diesmal sucht eine energische Ermittlerin in „Grenzland“ einen Mörder im Burgenland und sticht dabei in ein Wespennest aus Fremdenfeindlichkeit, Vorurteilen und verdrängten Familiengeheimnissen - mehr dazu in Hetzjagd im Südburgenland.
Toni Muhr/Graffilm/ORF
„Onkel Wanja“ von Anna Martinetz
An Anton Tschechows „Onkel Wanja“ haben sich schon viele Filmemacher versucht. Darunter Louis Malle in seinem herausragenden letzten Film „Vanja auf der 42. Straße“, der seine Schauspieler das Stück in Straßenkleidung und ohne Kulissen einstudieren ließ. Anna Martinetz wählt einen anderen Weg und schneidet Bilder von durch die Bankenkrise ausgelösten Straßenkämpfen in ihren Film - mehr dazu in Melancholie in der Bankenkrise.
„Auf der Suche nach Oum Kulthum“ von Shirin Neshat
Mit einer eigenwilligen „Aida“ gab die im Iran geborene Künstlerin und Regisseurin Shirin Neshat letzten Sommer in Salzburg ihr Debüt als Opernregisseurin. Zur exklusiven Preview ihres aktuellen Films kommt sie als Stargast der Diagonale nach Graz. In „Auf der Suche nach Oum Kulthum“ nähert sich Neshat einer Ikone der arabischen Welt an - mehr dazu in Macht und Mythos der Diva von Kairo.
„Licht“ von Barbara Albert
Barbara Alberts „Licht“ ist ein historisches, psychologisches und zugleich gesellschaftspolitisch brisantes Drama. Die junge Resi, hervorragend gespielt von Maria Dragus, muss ein Klavierwunderkind sein - zu Mozarts Zeiten. Ohne Sehvermögen wird sie vorgeführt wie ein Zirkusäffchen. Doch dann erlaubt sie sich ein kleines bisschen Individualität - mehr dazu in Es werde „Licht“.
„Teheran Tabu“ von Ali Soozandeh
Mit „Teheran Tabu“ ist dem in Deutschland lebenden Iraner Ali Soozandeh ein aufwühlendes Spielfilmdebüt gelungen. Das als Animationsfilm realisierte Drama gewährt tiefe Einblicke in ein von Doppelmoral und Unterdrückung geprägtes Leben und erzählt vom Kampf um Selbstbestimmung in einer zerrissenen Stadt - mehr dazu in Tabubruch im Gottesstaat.
„Gwendolyn“ von Ruth Kaaserer
Die in London lebende gebürtige Österreicherin Gwendolyn Leick ist Mitte 60, pensionierte Anthropologin, 52 Kilogramm schwer - und dreifache Weltmeisterin im Gewichtheben. Trotz einer schweren Krebserkrankung will sie den Weltmeistertitel zurückerobern. Die Wiener Regisseurin Ruth Kaaserer erzählt im Chat mit ORF.at, wie sie die ungewöhnliche Protagonistin ihres Dokumentarfilms kennenlernte - mehr dazu in Eine ungewöhnliche Weltmeisterin.
Prisma Film
„Murer“ von Christian Frosch
Präzise und stilsicher hat Christian Frosch seinen neuen Spielfilm „Murer - Anatomie eines Prozesses“ inszeniert, der die Diagonale eröffnet hat. Hier wird einer der größten Justizskandale der Zweiten Republik aufgerollt: der Freispruch für den steirischen Großbauern und SS-Führer Franz Murer, bekannt unter dem Beinamen „Schlächter von Vilnius“ - mehr dazu in Filmchronik eines Justizskandals.