Ein Bombenfilm über Journalismus
Wenn man draußen ist, „im Feld“, wie es so schön heißt, dann gelten andere Regeln als in der Redaktion. Dort ist man auf sich allein gestellt - und der Erwartungsdruck ist groß. Ein Fernsehteam kostet Geld, viel Geld. So ein Einsatz muss sich auszahlen, schließlich ist die Konkurrenz auch dort. Und das, was man dort sieht, ist belastend. Nicht sofort, wenn das Adrenalin einschießt, aber später, in den Ruhephasen.
Diesem Spannungsfeld hat sich die 39-jährige Burgenländerin Barbara Eder in ihrem Film gewidmet. „Ihren Film“ kann man „Thank You for Bombing“ mit Fug und Recht nennen, schließlich hat sie gemeinsam mit Tommy Pridnig das Drehbuch geschrieben und selbst Regie geführt. Eder hat in den letzten Jahren einiges an Lorbeeren eingeheimst, etwa für ihren ORF-Landkrimi aus dem Burgenland, und sie wurde für ihr Langfilmdebüt „Inside America“ mit dem begehrten Max-Ophüls-Nachwuchsfilmpreis ausgezeichnet.
Zu hart für eine Doku
Eigentlich hatte Eder eine Doku über das Thema Kriegsjournalismus geplant, aber je länger sie recherchierte, desto mehr kam sie von ihrem Plan ab. Ein Jahr lang forschte sie nach, führte Gespräche, hielt sich in Beirut auf, an der libanesisch-syrischen Grenze und in Afghanistan. Und je mehr Einblicke sie erhielt, desto mehr wusste sie: Nur wenig davon kann man erzählen, ohne den Kriegsberichterstattern zu schaden. Das Bild, das ihr bei ihren Recherchen vermittelt wurde, muss verheerend gewesen sein.
Drei fiktive TV-Journalisten stellt Eder vor. Da ist einmal Ewald (Erwin Steinhauer), der schon etwas älter ist und nicht mehr will - eigentlich nicht mehr kann. Aber sein fieser Chef, gespielt von ORF-TV-Chefredakteur Fritz Dittlbacher, schickt ihn dennoch buchstäblich in den Krieg. Nach Afghanistan soll Ewald, obwohl er ein Trauma aus dem Jahr 1992 bis jetzt nicht überwunden hat. Damals wurde sein Team im Jugoslawien-Krieg angegriffen, der Kameramann kam ums Leben. Ewald ist ein psychisches Wrack, ein Opfer des Krieges.
Jenseits der Schamgrenze
Dann ist da Jana, die für ein US-amerikanisches Nachrichtennetzwerk berichtet. Sie muss sich erst etablieren. Der chauvinistische Boss schickt einen ihrer Kollegen zum großen Interview, obwohl sie den Coup aufgetan hatte. Da muss Jana noch eins drauflegen, koste es, was es wolle. Und es kostet viel: ihre Würde. Jana überschreitet jede Grenze, um an die ganz große Geschichte heranzukommen - moralisch und persönlich.
Und schließlich News-Reporter Cal, ein vollkommen irrer Adrenalin-Junkie, der aber auch konventionelle Drogen wie Gras und Koks zu schätzen weiß. Er brüllt ein Kind an, das er dazu bringen will, mit bösem Blick einen Stein zu werfen - der Bilder wegen. Aber Cal geht noch viel weiter. Er übersieht die Grenzen, er überschreitet sie, ohne es selbst zu merken. Das hat Konsequenzen, und die wird Cal tragen müssen.
Kein „Frauenthema“?
Kriegsreporter wissen, dass es starke Geschichten braucht - leise Töne werden nicht gehört. Auch Eder weiß das. Ihre drei Porträts fangen Menschen in Extremsituationen ein, den Kaputten, die Sensationsgeile und den Durchgeknallten. Bleibt zu hoffen, dass es da draußen auch andere gibt, starke, integre Charaktere. Denn Kriegsberichterstattung ist nicht per se verwerflich. Ohne sie fehlt ein wichtiger Mosaikstein, um die Zusammenhänge des Weltgeschehens zu verstehen, gerade heute, in Zeiten außergewöhnlicher Fluchtbewegungen.
In einem Interview mit der „Kleinen Zeitung“ hatte Eder vor einiger Zeit gesagt, dass man den Unterschied zwischen Männern und Frauen in der Filmbranche daran merke, welche Stoffe ihnen angeboten werden. Sie werde oft wegen Filmen mit Themen wie „die misshandelte Frau“ oder wegen romantischer Komödien gefragt. Dabei wolle sie beweisen, dass sie auch mit Bomben umgehen könne, also filmisch gesprochen. Das ist ihr gelungen. Was auch immer ein „Frauenfilm“ sein mag: „Thank You for Bombing“ ist bestimmt keiner.
Simon Hadler, ORF.at