Marko Doringer

Marko Doringer

Wenn ein Film Form annimmt - langsam

Immer wieder berichten Regisseure, zumal junge, wie mühsam es ist, ein Filmprojekt umzusetzen. Von der Idee bis zur Premiere vergehen meist vier, fünf Jahre. ORF.at hat sich vergangenes Jahr entschlossen, einen Filmemacher bei diesem Prozess zu begleiten. Nun ist ein Jahr vergangen - was hat sich getan bei Marko Doringer? Er durchlebte einen Förderkrimi, sein Projekt stand auf Messers Schneide.

Marko Doringer hatte vor einigen Jahren mit seiner Doku „Mein Halbes Leben“ den Diagonale-Preis gewonnen und auch der Nachfolgefilm „Nägel mit Köpfen“ war mehr als ein Achtungserfolg. In den beiden Filmen zeigte Doringer, wie ein paar Freunde und er selbst einen Platz im Leben suchen. In „Mein Halbes Leben“ ging es um die Frage, ob und wie man herumwurschteln muss, wenn die Karriere mit 30 noch nicht abgehoben hat. „Nägel mit Köpfen“ drehte sich darum, wie das so ist, wenn man hofft, den Partner oder die Partnerin fürs Leben gefunden zu haben.

Und danach sollte es weitergehen. Ein Film, Arbeitstitel „Traumfabrik“, sollte mehrere Menschen in Doringers Alter - darunter wieder er selbst - begleiten und folgende Fragen beantworten: Welche Bedeutung messen wir unserem Beruf bei? Welchen Einfluss hat Arbeit auf unsere Einstellung zum Leben, unsere Werthaltungen und Gefühle – inmitten einer modernen, nachindustriellen Dienstleistungsgesellschaft? Ein Status Quo der Generation Praktikum also.

Ein zweiter Film würde das Leben von Doringers Generation mit Kindern betrachten. Doringer ist Jahrgang 1974. Die Beziehung aus „Nägel mit Köpfen“ hat gehalten. Er ist jetzt stolzer Vater eines wenige Wochen alten Säuglings. Er wird in den Filmen einiges zu erzählen haben über das Thema Kind und Karriere.

Rückzug auf die Berghütte

Aber zunächst war noch unklar, ob er überhaupt einen der Filme würde realisieren können. Beim ORF.at-Gespräch vor einem Jahr war der Stand der Dinge folgender: Von den vier Phasen in der heimischen Filmförderung, also Stoffentwicklung, Projektentwicklung, Herstellung und Verwertung, wurde bei beiden Filmprojekten die Stoffentwicklung gefördert. Das heißt, es ging im vergangenen Jahr an die Projektentwicklung: Die Idee war geboren und wurde als interessant empfunden - der nächste Schritt war die konkrete Planung.

Marko Doringer

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Doringer in der Berghüttenklausur - das Konzept auf dem Bildschirm

Ziel ist ein fertiges Konzept von rund 60, 70 Seiten, das man dann bei den diversen Fördergebern einreicht, um in die nächste Phase, die Herstellung, gehen zu können. Doringer schloss die Suche nach den Protagonisten für „Traumfabrik“ ab. Sechs waren in die engere Auswahl gekommen, einer von ihnen fiel aus, bei einem anderen entschied sich der Regisseur gegen eine Zusammenarbeit, es blieben also vier.

Um das Konzept in Ruhe erstellen zu können, zog sich Doringer monatelang in seine Berghütte in den Turracher Alpen zurück. Im September stand der Termin der Einreichung an. Es ist ein ausgeklügeltes System, man darf nicht nur einen Fördergeber fragen, sondern muss bei einer Handvoll von ihnen erfolgreich sein. Wenn man nur 70 Prozent des anberaumten Budgets zusammenbekommt, ist das Projekt tot. Sechs bis acht quälende Wochen lang wartet man auf die Entscheidungen.

Die erste Hiobsbotschaft

Und die erste war gleich eine Hiobsbotschaft für Doringer: Der wichtige Filmfonds Wien winkte ab. „Scheiße, das könnte einen Schneeballeffekt nach sich ziehen“, dachte der Regisseur. Denn oft ist es so: Sagt einer ab, ziehen auch die anderen mit. Die Fördergeber kennen einander und besprechen Entscheidungen mitunter. Sprich: Das ganze Projekt war in Frage gestellt, es sah aus, als würde die „Traumfabrik“ ein unerfüllter Traum bleiben. Aber es kam anders.

Alle anderen Fördergeber sagten zu - was aber noch immer nicht hieß, dass der Film gemacht werden kann. Der Filmfonds hinterließ eine riesige Finanzierungslücke. In Österreich hatte Doringer alle realistischen Möglichkeiten ausgeschöpft, also suchte er in Deutschland weiter. Das klappte nicht. Und schließlich, in letzter Minute, sagte einer der heimischen Fördergeber, das Österreichische Filminstitut, zu, seine Summe massiv aufzustocken. Und auch das Land Salzburg sprang ein.

Ein Film, ein Leben

Das Budget war zwar noch immer etwas kleiner als gedacht, aber hoch genug, um mit dem Rotstift durch die Kalkulationen zu gehen und immer noch ein realistisches Projekt mit Qualitätsanspruch durchführen zu können. Das sind die Torturen, die man durchhalten muss, wenn man als Regisseur sein eigener Produzent ist, so wie Doringer mit seiner Firma Filmfabrik. Ob andere Regisseure so etwas auch durchhalten und durchziehen? Doringer sagt: „Die Filmbranche ist eine schwierige Branche. Wer dem nicht standhält, der wird nicht bis zur Pension Filme machen können.“

Marko Doringer

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„Yeah“: Polyfilm als offizieller Verleih fixiert

„Traumfabrik“ ist für Doringer nicht nur irgendein Film, er ist in mehrerlei Hinsicht Doringers Leben. Mit der Finanzierung in der Tasche weiß er, dass er die nächsten Jahre sich selbst bezahlen können wird - Geld, auf das seine junge kleine Familie angewiesen ist. Nach der Geburt war Doringer in Vaterurlaub, er schwärmt. „Superberührend“ seien die ersten Tage und Wochen mit dem Baby gewesen. Schon jetzt habe er ein schlechtes Gewissen, weil er durch seine Arbeit nicht immer bei der Familie sein kann. Wie viel man da versäume. Aber so geht es nicht nur Regisseuren und Regisseurinnen. Später will er jedenfalls in Karenz gehen.

Marko Doringer

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Doringers Luxus: Regieassistent Stefan Pirchner Verdorfer

Ein Regisseur kommt an - im eigenen Leben

Damit sich Kind und Karriere besser unter einen Hut bringen lassen, hat Doringer jetzt einen Assistenten angestellt, für 15 Stunden in der Woche: Stefan Pircher Verdorfer, der die Dokumentarfilmschule Zelig in Bozen absolviert hat. Es ist schön, Doringer zu diesem Zeitpunkt zu interviewen. Vor Weihnachten kam die Finanzierungszusage, jetzt ist er Vater und kann sogar jemanden anstellen. Doringer wirkt glücklich - er ist angekommen.

Das sind gute Voraussetzungen für das zweite Filmprojekt, in dem es ja um das Leben mit Kindern geht. Aber diesen Film hat Doringer zunächst hintangestellt, da steht das Konzept noch nicht. Wobei er auch da zu filmen beginnt, schließlich soll es ja um seine Vaterschaft gehen, und da kann man gerade die wichtigen Anfänge nicht einfach auslassen.

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Doringers Lebensgefährtin kennt man schon aus „Nägel mit Köpfen“. Nun „muss“ sie wieder vor die Kamera - für den „Kinderfilm“

Was daran so viel Arbeit ist?

Die Ausgangsidee der losen ORF.at-Serie über das Entstehen eines Films waren Fragen wie: Warum dauert das so lange? Was ist daran so viel Arbeit? Schließlich dauert ein Film dann nur eineinhalb Stunden und als Laie könnte man meinen, zwei Wochen Planung und zwei Wochen Dreh müssten für so eine Doku reichen. Langsam bekommt man ein Bild davon: Die mühsame Protagonistensuche, weil schließlich nicht jeder gerne allzu Privates von sich preisgibt. Dann erste Probedrehs für Material, das einem kleinen Kreis an Zuschauern vorgeführt wird, um herauszufinden, welche Protagonisten gut ankommen. Dann die Konzepterstellung und schließlich der Fördermarathon.

Wenn Doringer im Detail über all das erzählt, entsteht der Eindruck, dass Filmemachen tatsächlich ein jahrelanger Fulltime-Job ist. Nächstes Jahr wird ORF.at jedenfalls wieder am Rande der Diagonale beim Filmemacher nachfragen. Kind und Karriere - schafft der Doringer das?

Simon Hadler, ORF.at

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