Die Schmutzkübel und der „Kobold in uns“
Dass es im Moment so viele Schmutzkübel- oder Negative-Campaigning-Aktionen gibt, hat für die Autorin und Psychologin, die über Jahrzehnte Machtpraktiken studiert hat, eine Reihe von Gründen: „Die Abstände zwischen den Parteien werden immer kleiner, und Inhalte sind daher immer weniger zu unterscheiden.“ Hinzu komme die Personalisierung von Politik und Wahlkämpfen, argumentiert Bauer-Jelinek.
„Es geht immer mehr um Personen, nicht um Parteien, die eine Tradition haben.“ Wenn man nun nicht mehr über die Inhalte kämpfe und die Personen wichtiger würden, weil diese mehr im Zentrum der Aufmerksamkeit stünden, müsse man „die Person angreifen, noch dazu, wenn immer mehr über Sympathie entschieden wird“.
„Wenn die Inhalte fehlen, geht es auf die Person“
Christine Bauer-Jelinek über die Amerikanisierung des heimischen Wahlkampfs - und den beinahe logischen Import von Negative- bis Dirty-Campainging-Techniken.
„Diese Aktionen kommen sehr stark aus den USA“, so Bauer-Jelinek, die der Wahlkampf bei uns immer mehr an US-Vorbilder erinnert: „Und mit importiert wurde dabei auch die Kultur der Schmutzkübelaktionen.“
„Wir haben eine Empörungshaltung“
Viele Menschen reagierten nun sehr empört, so Bauer-Jelinek - „wir haben so eine Empörungsgrundhaltung“. Man dürfe aber mit Blick in die Psychologie nicht vergessen, „dass wir alle einen kleinen Kobold in uns haben, und der ist derjenige, der gerne Schlammcatchen sieht. Der sagt: Wie macht der das? Wie macht die das? Und wie elegant pariert sie das?“
„Der Kobold in uns“
Neben aller Empörung „gibt es einen Kobold in uns, der gern beim Schlammcatchen zusieht“, konstatiert die Autorin.
Wir seien nun mal schadenfreudig, „deshalb schauen wir Serien an, wir sehen gerne Intrigen und sehen, wie solche Szenarien gelöst werden“. Würde das nicht funktionieren auf dieser tiefenpsychologischen Ebene, würde keine Partei einen Cent dafür ausgeben, konstatiert die Autorin.

ORF.at/Dominique Hammer
Zwei Stellvertreter und ein politischer Infight bei den TV-Duellen. Wie nah können Schwarz/Türkis und Rot nach der Wahl in der Politaufstellung des Landes stehen?
Wie werden die Angriffe pariert?
Die Frage, wer in dieser Situation als Sieger das Kampffeld verlasse, beantwortet die Expertin so: „Der kleine Kobold schätzt jemanden, der solche Angriffe souverän pariert und auch ein bestimmtes Maß an Humor mitbringt.“
Wer geht als Sieger aus der Schlammschlacht hervor?
„Entscheidend ist, wie man mit der Situation umgeht und ob man Humor und Haltung beweisen kann“, so Bauer-Jelinek.
Wenn jemand mit einer „Wuchtel“ kontern könne, dann applaudiere der kleine Kobold in uns: „Weniger gut kommt: Beleidigt sein, sich rechtfertigen, plumpe Gegenangriffe starten.“
Menschen in Extremsituationen
Grundsätzlich sehe man auf dieser Bühne, wie Menschen in Extremsituationen reagierten, ob sie souverän reagierten, mit Humor oder am Ende doch leicht aus der Fassung zu bringen seien.
Die Art, wie jemand auf Angriffe reagiere, müsse „auf jeden Fall zur politischen Rolle passen“. „Wer aus einer kleinen Partei kommt, kann anders reagieren als jemand, der in der Regierung sitzt“, sagt Bauer-Jelinek.
„Die Rolle muss passen“
Nicht jeder könne sich jede Rolle anziehen. Und eine Vermischung der Rollen verwirre das Publikum, konstatiert die Analytikerin symbolischer Machtpraktiken.
„In diesem Wahlkampf haben wir sehr viele Vermischungen erlebt. Wenn sich Regierende wie Oppositionelle verhalten und Oppositionelle wie Minister, dann haben wir eine Vermischung“, beschreibt sie ihre Beobachtungen zu diesem Wahlkampf. Rollenvermischungen würden das Publikum irritieren. „Es ist schon notwendig, seinen Stil der Position anzupassen“, so ihr lakonisches Fazit.
Gerald Heidegger, ORF.at (Text); Michael Baldauf, Dominique Hammer (Videos), alle ORF.at