Baustelle auf dem Wiener Ballhausplatz

ORF.at/Carina Kainz

Mauer beschäftigte Beamte seit 2014

Die Anti-Terror-Mauer auf dem Wiener Ballhausplatz hält seit Tagen Österreichs Wahlkämpfer in Atem. Niemand auf politischer Ebene will von ihr gewusst haben, niemand will den Auftrag zum Bau erteilt haben. Bundeskanzleramt und Innenministerium schieben einander die Verantwortung zu. Laut APA-Recherchen waren zumindest auf Beamtenebene alle Beteiligten informiert, Beamte haben die Mauer auch genehmigt.

Die Pläne für Schutzmaßnahmen im Regierungsviertel reichen laut Innenministerium bereits ins Jahr 2014 zurück. Konkret zur Sache ging es im Frühjahr 2017. In Projektsitzungen, an denen Vertreter des Innenministeriums, des Bundeskanzleramts, der Präsidentschaftskanzlei und der Stadt Wien mit über zehn verschiedenen Magistratsabteilungen beteiligt waren, wurden die Baupläne entwickelt. Koordiniert wurden diese Arbeiten von der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) im Auftrag von Innenministerium, Bundeskanzleramt und Präsidentschaftskanzlei.

Konkrete Planung im März

Ergebnis dieser Sitzungen, an denen bis zu 50 Personen teilnahmen, ist eine der APA vorliegende und mit 15. März datierte „Technische Beschreibung und Kostenzusammenstellung“ zur „Pollersituierung Ballhausplatz“. In dem zehnseitigen Papier sind auch die inzwischen berühmt geworden und umstrittenen Schutzmauern angeführt.

„Im Bereich des Ballhausplatzes ist es angedacht, die Hausfront des BKA zusätzlich durch Schutzmauern bzw. Fixpoller zu sichern. Die Sicherheitsklasse wurde mit K12 festgelegt“, heißt es darin. Eine Abbildung zeigt darüber hinaus die Anordnung und Dimension der geplanten Schutzmauern. Geplant waren fünf Mauerblöcke, jeweils rund acht Meter lang und 80 Zentimeter hoch.

Bauende zwei Tage vor der Wahl

Auch die Gesamterrichtungskosten für Sicherheitsmaßnahmen und Umbauten vor dem Bundeskanzleramt sind angeführt: 422.612,22 Euro. Als geplante Bauzeit wurde „Sommer/Herbst 2017“ festgehalten. Als Baubeginn wurde der 30. Mai genannt, als Bauende der 13. Oktober, zwei Tage vor der Nationalratswahl am 15. Oktober - wobei im März freilich noch nicht feststand, dass heuer gewählt wird. „Der Ausführungsterminplan richtet sich nach der Projektfreigabe seitens BKA und wird nach Projektfreigabe und Abstimmungen aller Rahmenbedingungen nachgereicht bzw. im Zuge der Abstimmungen bekanntgegeben“, heißt es abschließend.

Bundeskanzleramt verweist auf Innenministerium

Am 29. Juni übermittelte das Präsidium des Bundeskanzleramts der Bundesimmobiliengesellschaft in einem der APA vorliegenden Schreiben die unterfertigten Originalunterlagen der „Bauabwicklungsvereinbarung Poller Ballhausplatz 1 und 2“. Die von der Präsidialsektion des Kanzleramts unterzeichnete Vereinbarung ist mit 24. März 2017 datiert.

In einem weiteren Schreiben vom 29. Juni bestätigte die Präsidialsektion des Bundeskanzleramts nach APA-Informationen der Bundesimmobiliengesellschaft darüber hinaus, dass man die Kosten für die Schutzmauern übernehmen werde, da das Innenministerium diese für die Sicherheit als unerlässlich erachtet.

„Krone“ macht gegen Mauer mobil

Gleichzeitig begannen im Sommer die Bauarbeiten. Als die Hitze besonders groß wurde, brachte Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) den eingesetzten Bauarbeitern sogar höchstpersönlich Wasser vorbei. Das entsprechende wahlkampftaugliche Video wurde von der „Kronen Zeitung“ wohlwollend transportiert. Zu Beginn der heißen Wahlkampfphase entdeckte die „Krone“ dann das Potenzial zum „Mauerskandal“ und trommelte in ihrer Onlineausgabe und auf Twitter tagelang gegen den Bau der Mauerblöcke und Poller.

Baustopp und Schuldzuweisungen

Am Donnerstag verfügten Bundeskanzler Kern und Kanzleramtsminister Thomas Drozda (SPÖ) schließlich den Baustopp, und die roten und schwarzen Regierungsstellen schoben einander die Verantwortung für die Mauermisere zu.

Mauerbau im Regierungsviertel gestoppt

Der Bau der Mauer wurde von Bundeskanzler Kern und Kanzleramtsminister Drozda (beide SPÖ) gestoppt. Man sei über die Maßnahmen nicht informiert gewesen, heißt es. Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) sprach von einer „Posse“.

Auch wenn die politischen Akteure nichts davon wissen wollen, auf Beamtenebene waren alle beteiligten Stellen über die Pläne informiert, und die Sektion I des Bundeskanzleramts gab diese auch frei.

Baufirma überrascht

Bei der zuständigen Baufirma Porr zeigte man sich unterdessen wegen des Baustopps überrascht, geht aber davon aus, dass man das Geld für den Auftrag trotzdem bekommt. „Für uns wird das keine wirtschaftlichen Nachteile nach sich ziehen, da unsere Verträge genau regeln, wie in derartigen Fällen vorzugehen ist“, teilte der Baukonzern den „Salzburger Nachrichten“ mit.

Kurz zufrieden, Wiener ÖVP nicht

ÖVP-Chef Sebastian Kurz findet es gut, dass die Mauer nun doch nicht gebaut wird. Die Entscheidung, dass die Bauarbeiten gestoppt wurden, hält Kurz für richtig. Man hätte sich die Kosten für diese Mauer ersparen können, meinte Kurz weiters.

Der Spitzenkandidat der Wiener ÖVP, Karl Mahrer, bis vor kurzem Wiener Landespolizei-Vizepräsident, kritisierte allerdings das Bundeskanzleramt für den verhängten Baustopp. Er selbst ließ in der Frage, wie es weitergehen soll, eine Lösung mit Pollern als Präferenz durchklingen. Das Innenministerium habe ursprünglich eine Pollerlösung inklusive Verkehrsberuhigungsmaßnahmen im Regierungsviertel vorgeschlagen, dieses Konzept sei allerdings auf Wunsch von Bundeskanzleramt und Stadt Wien abgeändert worden, berichtete ÖVP-Wien-Chef Gernot Blümel.

Kritik von Grünen, FPÖ und NEOS

Kritik an den Vorgängen rund um den Ballhausplatz kam von den Grünen. „Kakanien lässt grüßen“, meinte die Vorsitzende des Rechnungshof-Ausschusses, Gabriela Moser, über die innenpolitische Posse. Die Grünen schlagen vor, dass sich der Rechnungshof der Causa annimmt. „Der Rechnungshof muss umgehend klären, wer für diesen sündteuren Schildbürgerstreich verantwortlich ist“, so Moser. „Es kann nicht sein, dass Kern, Drozda und Sobotka miteinander Schwarzer Peter spielen und die Steuerzahler als Verlierer dastehen. Ich ersuche RH-Präsidentin (Margit, Anm.) Kraker, hier sofort einzugreifen und diesem Spiel ein Ende zu bereiten“, forderte Moser.

Zur „Farce am Ballhausplatz“ äußerte sich auch Wiens FPÖ-Vizebürgermeister Johann Gudenus, der sich versenkbare Poller wünscht und die Letztverantwortung bei der Stadt sieht. Auch bei Wiens NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger sorgte die Mauerdebatte für Ärger: „Das gegenseitige Schuldzuschieben zwischen Bundeskanzleramt, Innenministerium, Bundesimmobiliengesellschaft und der Stadt Wien gleicht einem Kasperltheater.“