Baustelle auf dem Wiener Ballhausplatz

ORF.at/Carina Kainz

Das Ende der Erregungsmauer

Tagelang wurde vor dem Ballhausplatz gebaggert, gefräst und gestemmt. Seit Donnerstag stehen die Baumaschinen still. Die Mauer, die Bundeskanzleramt und Hofburg vor Terroranschlägen schützen sollte, wird nicht weitergebaut. Kanzler Christian Kern (SPÖ) ordnete über Kanzleramtsminister Thomas Drozda (SPÖ) den Baustopp an: das vorläufige Ende einer tagelangen Kampagne.

Neu ist das Konzept nicht. Bis ins Jahr 2014 reichen laut Innenministerium die Pläne zurück, die Sitze von Kanzler und Bundespräsident gegen Angriffe, etwa mit Lkws, zu sichern. Von einem Konzept bis zur Umsetzung kann hierzulande aber schon einmal etwas Zeit verstreichen - und so mancher Extrawunsch dazukommen. So gesellten sich zu den ursprünglich geplanten Pollern auch noch 80 Zentimeter hohe Mauerelemente dazu, die Bundeskanzleramt und Präsidentschaftskanzlei schützen sollten.

Ein Fressen für die Medien

Im Sommer 2017 - also fast drei Jahre später - fuhren dann tatsächlich die Bagger und Baumaschinen auf dem Ballhausplatz auf. Von Baubeginn des Mäuerchens bis zum öffentlichen Erregungsausbruch ging es aber weitaus schneller. Am 2. September berichtete die „Kronen Zeitung“ das erste Mal über das Projekt. „Kanzleramt bunkert sich hinter Betonmauer ein“, lautete die Überschrift des Artikels - und gab die Linie für eine ganze Reihe an Beiträgen vor. Bis die Zeitung am Donnerstag den Baustopp verkündete, erschienen - teils in der Printausgabe, teils auf der Website - noch sechs weitere Artikel und Kommentare zu dem Aufregerthema.

Baustelle auf dem Wiener Ballhausplatz

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Seit Donnerstag stehen die Baumaschinen am Ballhausplatz still

Denn ein solches wurde der Mauerbau ganz schnell. Nicht nur die „Krone“ schoss sich auf das Bauwerk ein. Von „Standard“ bis „Österreich“ zog sich die Kritik der Kommentatoren an dem Bauvorhaben. Und es blieb nicht bei den Medien.

FPÖ in der Kritik voran, aber nicht allein

Als Erste meldete sich die FPÖ zu Wort und nahm den Ball der „Kronen Zeitung“ - Stichwort: Kanzleramt bunkert sich ein - dankbar auf. Von einer „schäbigen Doppelmoral“ sprach FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache in einer Aussendung. Deren Tenor: Gegen Flüchtlinge wollte die Regierung keine Grenzzäune bauen, jetzt mauert sie sich ein - und überlässt die Bürgerinnen und Bürger ihrem Schicksal.

Diese Interpretation brachte auch FPÖ-Volksanwalt Peter Fichtenbauer am Donnerstag - wenige Stunden vor dem offiziellen Baustopp - noch einmal in ähnlicher Form vor. „Die Schutzmauer hat unweigerlich den Geruch einer Maßnahme für Privilegierte“, so Fichtenbauer - mehr dazu in wien.ORF.at.

Baustelle auf dem Wiener Ballhausplatz

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Die einen sahen in dem geplanten Mäuerchen einen „Bonzen-Limes“ die anderen ein Symbol der Angst

Es würde aber zu kurz greifen, die Kritik nur bei der FPÖ zu verorten. Bereits am gleichen Tag wie Strache, am Sonntag, teilte der grüne Wiener Gemeinderat Christoph Chorherr seinen Unmut auf Twitter, wenngleich er der Regierung auch kein Privilegienrittertum vorwarf, sondern das unnötige Schüren von Ängsten.

Denkmalschutz und Stadtbild

Und dann war da noch die Gruppe all jener, denen es primär nicht um den vorgeblichen Sinn der Mauer ging, sondern vor allem um deren Ästhetik. Der Rektor der Universität für angewandte Kunst Wien, Gerald Bast, sprach im ORF-Interview von einer „städtebauliche Schandtat erster Klasse“. Und der Wiener Architekt und Experte für Denkmalpflege, Manfred Wehdorn, fragte: „Ist die Mauer in der Höhe notwendig? Gibt es nicht andere Sicherheitsvarianten, die stadtbildverträglicher sind?“ - mehr dazu in wien.ORF.at.

Was am Ende bleibt

All diese Argumente fanden sich so oder so ähnlich aber nicht nur in Zeitungs- und Onlineartikeln, Fernseh- und Radiobeiträgen. Sie wurden auch tausendfach in Sozialen Netzwerken geteilt und multipliziert. Ebenso rief die Verkündigung des Baustopps eine wahre Flut an Kommentaren etwa auf Twitter hervor - mehr dazu in wien.ORF.at.

Und was bleibt am Ende abseits der sozialnetzwerklichen Häme? Bereits ausgehobene Fundamente, die nun wieder zugeschüttet werden müssen; Arbeit für den Verfassungsschutz, der ein neues Sicherheitskonzept ausarbeiten muss; und gegenseitige Schuldzuweisungen zwischen SPÖ und ÖVP.

Die Mauer sei „ein verheerendes Signal“, man brauche ein Sicherheitskonzept „für die gesamte Bevölkerung und nicht nur fürs Regierungsviertel“, sagte Drozda. „Es waren das Bundeskanzleramt und die Stadt Wien, die eine Mauer haben wollten“, hieß es von Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP). So bleibt überdies noch die Erkenntnis, dass es bessere Zeitpunkte für solche Bauprojekte gibt als den Wahlkampf.

mars, ORF.at