Ausschnitt aus Altersverteilung Bundeswahlvorschläge

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So werden Stimmen zu Mandaten

Regionalkreis-, Landes- und Bundeslisten: Für die Kandidatinnen und Kandidaten führt am 15. Oktober mehr als nur ein Weg in den Nationalrat. Dahinter steht das österreichische Wahlrecht und das darin festgeschriebene dreistufige Verfahren, das am Wahltag aus Stimmen Mandate macht.

Eigentlich ist es ganz einfach: Österreichs Wahlsystem versucht, die Wählerstimmen möglichst genau auf Mandate umzurechnen. Überspringt eine Partei bei der Wahl die Vierprozenthürde, soll ihr die entsprechende Anzahl Sitze im Nationalrat zustehen. Komplizierter wird es aber bei der Frage, welche Abgeordneten tatsächlich für die kommenden Jahre im Plenarsaal Platz nehmen.

Alles beginnt bei den Wahlkreisen

Hinter der Verteilung der Mandate steht in Österreich ein dreistufiges Verfahren. Und das nimmt seinen Ausgang bei den insgesamt 39 Regionalwahlkreisen. Auf sie sind grundsätzlich alle 183 Sitze im Nationalrat aufgeteilt. Allerdings wird hierzu nicht einfach 183 durch 39 geteilt. Wie viele Mandate zu einem Wahlkreis gehören, hängt damit zusammen, wie viele österreichische Staatsbürgerinnen und -bürger dort leben. Alle zehn Jahre wird das Verhältnis neu berechnet und die Mandate dementsprechend verteilt. Das letzte Mal passierte das 2011.

Grafik zeigt die Anzahl Mandate in den 39 Regionalwahlkreisen

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Bundesministerium für Inneres

Seither sind zum Beispiel dem Regionalwahlkreis Burgenland Nord vier Sitze zugeordnet. Zum dünn besiedelten Osttirol gehört hingegen nur ein Mandat. Der österreichweit einwohnerstärkste Wahlkreis Graz und Umgebung kommt dafür auf ganze neun.

Aus fünf mach sieben

Bei der vergangenen Wahl waren dem Wahlkreis Weinviertel sieben Mandate und dem Wahlkreis Niederösterreich Mitte fünf Mandate zugeordnet.

Heuer ist es genau umgekehrt. Das liegt daran, dass seither über die Grenzen der Wahlkreise hinweg Gemeinden zusammengelegt wurden.

Zumindest rechnerisch lässt sich deshalb in und um die steirische Landeshauptstadt auch am leichtesten ein sogenanntes Grundmandat ergattern. Vor vier Jahren reichten in Graz und Umgebung zwölf Prozent aller gültigen Stimmen für ein Grundmandat. In Osttirol waren hingegen 90 Prozent nötig.

Der „Preis“ für ein Mandat

Wie viel ein Mandat in absoluten Stimmen „kostet“, legt die Wahlzahl fest. Sie wird für jedes Bundesland separat berechnet - und zwar immer erst nach Wahlschluss. Dann werden alle in einem Landeswahlkreis abgegebenen gültigen Stimmen durch die Zahl der dort zu vergebenden Mandate dividiert. Bei der Nationalratswahl vor vier Jahren waren in Salzburg zum Beispiel 286.606 Stimmen gültig. Bei drei Regionalwahlkreisen mit insgesamt elf Mandaten hieß das: Ein Grundmandat „kostete“ in jedem Salzburger Regionalwahlkreis 26.055 Stimmen.

Im Salzburger Regionalwahlkreis 5C (Lungau/Pinzgau/Pongau) standen 2013 (wie auch heuer) grundsätzlich vier Mandate zur Verfügung. An die ÖVP gingen in dem Wahlkreis 29.537 Stimmen, an die SPÖ 27.055. Damit schafften es sowohl der Listenerste der SPÖ, Walter Bacher, als auch jener der ÖVP, Franz Eßl, in den Nationalrat. Die FPÖ kam hingegen nur auf 24.955 Stimmen. Für ein Direktmandat war das zu wenig. Auch die übrigen Parteien gingen leer aus. Somit wurden in dem Wahlkreis nur zwei von vier möglichen Mandaten vergeben.

Bundesland am Zug

Auf diese Weise können also nicht alle Sitze im Parlament verteilt werden. Es bleibt ein bedeutender Rest. Hier kommt das zweite Ermittlungsverfahren ins Spiel. Dafür werden alle gültigen Stimmen einer Partei pro Bundesland durch die jeweilige Wahlzahl dividiert.

Vier Prozent und Grundmandat

Um in den Nationalrat einzuziehen, benötigt eine Partei entweder bundesweit vier Prozent aller gültigen Stimmen, oder sie erobert in einem Regionalwahlkreis ein Grundmandat.

Allerdings: Bundesweit weniger als vier Prozent zu bekommen und trotzdem ein Grundmandat zu ergattern, das ist bisher noch keiner Partei gelungen.

Natürlich kommt dabei nur in den seltensten Fällen eine runde Zahl heraus. Also wird alles, was hinter dem Komma steht, einfach weggestrichen. Und dann werden alle Mandate abgezogen, die bereits in den Regionalkreisen des Bundeslands an die Partei gingen. Übrig bleibt die Zahl jener Mandate, die an Kandidatinnen und Kandidaten der Landeslisten gehen.

Um beim Beispiel Salzburg zu bleiben: Die SPÖ erhielt 2013 im gesamten Bundesland 65.950 Stimmen. Dividiert durch die Wahlzahl ergaben sich für die Partei zwei Mandate. Eines davon hatten die Sozialdemokraten bereits im Regionalwahlkreis 5C bekommen. In den anderen beiden Regionalwahlkreisen war die SPÖ hingegen leer ausgegangen. Also blieb am Ende ein Mandat über, das die Partei über ihre Landesliste besetzen konnte.

Mehrfach abgesichert

Üblicherweise würde in diesem Fall der Erstgereihte zum Zug kommen. Bei der SPÖ-Landesliste stand vor vier Jahren allerdings Walter Bacher auf Platz eins; und der hatte bereits über seinen Regionalwahlkreis den Einzug in den Nationalrat geschafft. Damit ging das Mandat an die auf der Landesliste zweitgereihte Cornelia Ecker.

Animierte Mandatsvergabe

Das Institut für Strategieanalysen hat ein Onlinetool entwickelt, das die Mandatsvergabe Schritt für Schritt mit vielen Animationen erklärt.

Aber warum setzte die SPÖ Bacher dann überhaupt auf den Landeswahlvorschlag? Warum kandidieren Kandidatinnen und Kandidaten auf mehreren Ebenen? Die einfache Antwort: um ihren Einzug ins Parlament so sicher wie möglich zu machen. Nicht nur, aber auch aus diesem Grund kandidieren viele Spitzenpolitikerinnen und -politiker für ihre Partei zumeist auf mehreren Ebenen.

Altersverteilung der Bundeswahlvorschläge

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Die interaktive Grafik gibt Auskunft zu allen Kandidatinnen und Kandidaten auf den Bundeslisten der Parteien

Dass ÖVP-Parteiobmann Sebastian Kurz nur auf Platz eins der Bundesliste steht, ist deshalb eine ziemliche Ausnahme. Die Bundeswahllisten erfahren zwar die größte mediale Aufmerksamkeit, im Grunde dienen sie aber nur dazu, die Mandate aufzuteilen, die nach den ersten beiden Ermittlungsverfahren noch übrig sind - quasi der rechnerische Rest.

Bundesliste als Lückenfüller

Um den zu verteilen, hat sich Österreich für das d’Hondt’sche Verfahren entschieden, benannt nach dem belgischen Juristen Victor D’Hondt. Der genaue Ablauf dieser Berechnungsart ist so kompliziert, dass sich auch Politologen bisweilen schwertun, ihn zu erklären. Wichtig ist aber: Die Methode rechnet den Stimmenanteil jeder Partei so auf Mandate um, dass kein Rest entsteht. Überdies - und dafür wird die Berechnungsart auch immer wieder kritisiert - bevorzugt sie größere Parteien ein wenig.

In Österreich werden vom Ergebnis des d’Hondt’schen Verfahrens für jede Partei die Parlamentssitze abgezogen, die sie bereits auf Regional- und Landesebene erhalten hat. Die Mandate, die dann noch übrig bleiben, besetzen die Parteien schließlich über ihre Bundeslisten. Vor vier Jahren sprach das d’Hondt’sche Verfahren den Grünen 24 Sitze zu. 18 Mandate davon hatte die Partei bereits über Regional- und Landeslisten erhalten. Somit kamen noch sechs Kandidatinnen und Kandidaten über die Bundesliste zum Zug. Diese Zahl ist übrigens ziemlich repräsentativ: Sie entspricht genau dem Durchschnitt pro Wahl und Partei in den vergangenen 20 Jahren.

Martin Steinmüller-Schwarz, ORF.at

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